Wie schnell sich hier angenehme Ruhe in frustrierenden Klimahorror verwandeln kann. Ein Sturm hat in der DC-Area vor knapp 8 Tagen fast die komplette Stromversorgung lahmgelegt. Millionen Haushalte ohne Strom, vor allem darauf zurückzuführen, dass die Infrastruktur hier marode und technisch rückständig ist. Statt Stromleitungen im Untergrund zu führen und so vor herabstürzenden Ästen und starken Winden zu schützen, zieht sich hier durch die Ortschaften ein Netz von Strommasten, die in ihrer Verästelung die Wohngebiete versorgen. Passiert etwas mit den überirdischen Kabeln, verliert das Gebiet den Strom – denn ein Kabel auf Bodenhöhe bedeutet Lebensgefahr, wenn dort Strom durchfließt. In der Konsequenz: Strom aus, hinfahren, reparieren – und erst dann kann für das Gebiet wieder der Strom angeschaltet werden. Qualitative Unterschiede lassen sich dabei höchstens in der Kontrollfähigkeit des Stromflusses feststellen, d.h.  ab welchem Verästelungsgrad abgeschaltet werden muss.

Die Stromversorger haben sich das fein ausgerechnet. Die Modernisierung würde den Profit schmälern, selbst wenn man die Kosten auf die Verbraucher abwälzen würde, die regelmäßigen größeren Ausfälle werden in Kauf genommen. Eine richtige Wahl zwischen verschiedenen Versorgern hat man eh nicht. Aus der Politik kommt Gezeter, aber die Investition von öffentlichen Mitteln in die Infrastruktur scheint anders zu funktionieren als bei uns; letztendlich ist davon wenig die Rede und die Unternehmen scheinen größtenteils unter privatwirtschaftlichen Prämissen zu arbeiten. Trotzdem würden viele Kunden die Erhöhung der Strompreise für eine Modernisierung gerne in Kauf nehmen.

Ein Sturm hat in diesem fehleranfälligen System maximalen Schaden angerichtet. Ich wohne in dem am schwersten betroffenen Gebiet, Montogomery County. Ca. 1/2 Mio Menschen ohne Strom, viele davon über Tage. Bei mir floß es erst am Donnerstag wieder, also nach 6 Tagen, und zu dem Zeitpunkt waren immer noch 60.000 Menschen in dieser Gegend ohne Strom. Inzwischen sollten alle versorgt sein, die Arbeitstruppen, die aus den nördlichen Staaten und sogar Kanada (!) herbeordert wurden, sind schon wieder auf dem Rückweg. Der Stromausfall hat die Stadt und das Umland an den Rand des Notstands getrieben: Schulen waren geschlossen, viele öffentliche Angestellte durften zuhause bleiben, und die US-Bundesregierung hätte fast ihren Laden komplett geschlossen, was einem shutdown von DC gleichgekommen wäre. Die Sturmschäden haben nicht nur auf die Strominfrastruktur Einfluss genommen, sondern natürlich auch die Straßen mit entwurzelten Bäumen blockiert, Gebäudeteile zerstört und Menschenleben gefordert. Irgendwie hat man diesen Fast-Notstand aber dann beibehalten, wobei viele Menschen auch glücklich waren auf Arbeit zu sein: dort konnten sie ihre elektrischen Geräte laden, ins Internet kommen und ganz wichtig: runterkühlen.

Denn das ist der zweite Part der Klimahölle: während die immens wichtigen Klimaanlagen der amerikanischen Häuser nicht funktionierten, steuerte die Stadt von einem Hitzerekord in den nächsten. Die Temperaturen der letzten Woche lagen regelmäßig über 36°, einige Tage über 40°. Höhepunkt war heute ein knapp verfehlter Rekord. Der heißeste Tag der Aufzeichnung wurde um knapp 1 1/2 Minuten verfehlt. Es wurden 42° gemessen, aber nur 90 Sekunden lang, das reichte nicht, um den Rekord zu setzen – um offiziell anerkannt zu werden, muss die Temperatur über 180 Sekunden konstant auf diesem Niveau liegen. Ohne funktionierende Klimaanlage, ohne Kühlschrank und ohne Ventilatoren war diese Hitze natürlich das schlimmste Timing für die vom Stromausfall betroffenen Menschen.

Aber irgendwie habe ich es überlebt; ab Montag soll es erstmal deutlich kühler werden und unter 30° absacken. Und Strom und Internet sind auch wieder da. Der Kühlschrank brummt, kühles Wasser und Coke Zero bringen Linderung.

Abschließen möchte ich mit einem Verweis auf einen Kommentar von Petula Dvorak in der Washington Post: A ruling class deprived of its power. Ein Artikel, der sich mit den sozialen Faktoren des Sturms auseinandersetzt: die Betroffenen waren nämlich größtenteils gutsituierte Mittelschichtsvertreter, die Gebiete vor allem vornehme suburbs.

 

Amanda hatte mich am vergangenen Wochenende nochmal zu einem Kurztrip zu ihrer Schwester eingeladen. Und da ich gerne sowas annehme, und mich auch wieder beim Autofahren nützlich machen konnte, habe ich das Angebot gerne angenommen. Im Grunde ging es immer nach Süden, einmal quer durch Virginia. Ziel war die Stadt Raleigh in North Carolina, eine beschauliche Kleinstadt mit dem Chárme von Frankfurt (Main) und der Größe von Frankfurt (Oder). Wir fuhren Freitag nach der Arbeit los und blieben bis Sonntag.

Im Grunde kann ich hier keinen langen Artikel schreiben, weil im Gegensatz zu West Virginia der Trip nicht ganz so spannend war. Grundsätzliches zu North Carolina: klimatisch und von Feeling her unterscheidet sich der Staat kaum zu Virginia und nur wenig zu DC. Alles sieht etwas heller, vielleicht auch staubiger aus, aber es gibt kaum größere Auffälligkeiten. Man kann aber einige soziale Unterschiede feststellen: die Häuser wirken ungepflegter und mehr hölzern (die typische amerikanische Leichtbauweise), man sieht sogar viele rollbare Häuser, ähnlich den deutschen Bungalows, aber halt transportabel. Das alles spricht für einen niedrigeren sozialen Standard als man ihn in der DC Area findet. Auch die Lebenserhaltungskosten waren deutlich günstiger. Benzin lag bei $3,25/Gallon, der Burger bei McDonalds kostete 69 Cents im Vergleich zu den $1,10, die man in DC bezahlt.

Am ersten Abend sind wir nach einer langen Fahrt durch die Nacht im Red Roof Inn angekommen, eine Hotelkette, die einen fürchterlichen Ruf hat, aber Hunde erlaubte, und wo das Zimmer mit zwei großen Betten für zwei Nächte $140, also $70 per Nacht kostete. Außerdem war diese Filiale nicht schlimm, alle Annehmlichkeiten, die man von einem mittel- bis unterklassigen Hotel erwartet, waren vorhanden. An dem Abend haben wir auch nichts mehr gemacht.

Am nächsten Tag ging es dann zur besagten Schwester, die mit ihrem Freund an einem 5km-Lauf, dem Ninja Run, teilnehmen wollte. Fünf Kilometer, mit 18 Hindernissen – obstacles – für die gute Sache. Ich habe ja überlegt, ob ich dran teilnehme, aber mir waren die $65 Anmeldegebühr doch zu happig, ansonsten wäre es eine schöne Sache gewesen. So standen wir am Rand und haben angefeuert und die Leute beobachtet. Die Hitze hat den Läufern und den Zuschauern zu schaffen gemacht, es waren mind. 32° C, und die Leute zum kühlen Bierstand getrieben. Das Resultat war, dass ich Fahrer für alle spielen durfte. Nach dem, für die beiden Läufer, erfolgreichen Run sind wir zum Pool gefahren, eine Institution, die hier viele Apartmentblocks haben – ein Clubhaus mit Waschmaschinen und Räumen für gemeinsame Aktivitäten mit den anderen Mietern, oft einen Fitnessraum und einen Pool, Indoor und Outdoor. Sonne braten, Abendessen, die anderen noch mehr Bier – es ist ja Wochenende.

Den Abend haben wir dann in Raleigh Downtown verbracht, erst im irischen Pub, wo bei gemütlichem Essen noch andere Freunde zu uns gestoßen sind und man den Abend in heiterer Runde begonnen hat. Dann ging es weiter ins Solas, wo man mich zwang Hemd und Anzugschuhe rauszuholen. Kein Eintritt für den Club (dafür sauteure Getränkepreise), schlechte Musik, Uniformierung (Hemd!) und nochmal: schlechte Musik (!!) machten diesen Part des Abends sehr dröge für mich. Dann hab ich angefangen, weil ich nichts besseres zu tun hatte, das Personal zu beobachten – und bin zufällig auf die lokalen Distributionskanäle für weißes Puder gestoßen. So auffällig, wie dort Drogen gehandelt werden, standen dort alle schon bereits mit einem Bein im Knast, vor allem bei den Mengen. Dort wurden Tütchen gaaaaanz unauffällig beim Handshake gewechselt, die größer und praller gefüllt waren als die Hände der Servicekraft. Ich konnte eigentlich nur kopfschüttelnd zusehen und an eine Karriere beim DEA denken. Wir haben dann noch irgendwann den Club gewechselt, aber ich kann nur betonen – die Ausgehkultur sagt mir hier so gar nicht zu. Geprägt von Sexismus und schlechter Musik, und man kann sich eigentlich nur in eine Ecke verkriechen und hoffen, dass das alles bald vorbei ist. Ist es tatsächlich auch, um 2 Uhr wurden die Bänke hochgeklappt und das Licht angestellt. Zeit für die Fahrt nach Hause, mit betrunkenen freundlichen Leuten, die alle probierten, das Navigationssystem zu belehren.

Um so schöner war das Katerfrühstück am nächsten Morgen in einem kleinen französischen Restaurant namens Coquette – Preise waren top ($15 für große Suppe und Quiche), die Mengen auch, es war unglaublich gute Küche und der Service besonders erwähnenswert: nicht nur wurde mein Hund beachtet und ihm eine Wasserschale gebracht (was bisher nie in amerikanischen Restaurants getan wurde), auch war der Service (alles authentische Franzosen mit seltsamen Bärten) so diszipliniert und ist zusammen mit dem Koch gekommen, um uns das Essen gemeinsam vorzusetzen und nicht wie sonst in Schüben. Wenn da auf einmal vier Leute um einen herumstehen, fühlt man sich gleich mehr als Gast.

Und danach ging es wieder hoch, durch den Wochenendstau und durch die unglaubliche Hitze. Es war nicht so spannend wie West Virginia und hatte stellenweise echt Durchhänger, aber trotzdem erneut interessant. Ich hab mich über das Wochenende gefreut und bin froh, mitgekommen zu sein.

 

Das vergangene Wochenende war hier in den USA nationaler Feiertag und quasi der Startschuss für den Sommer. Das memorial day weekend, einem Wochenende, dem sich der Gedenktag der gefallenen amerikanischen Soldaten anschloss, lud tausende Familie ins Grüne ein. Eine Freundin aus Virginia, Amanda, nahm mich mit zu ihrer Familie: es ging nach West Virginia. Der Bundesstaat West Virginia, der sich im Bürgerkrieg zum Vorteil der Nordstaaten von Virginia abspaltete, ist vergleichbar mit der deutschen Harzregion: die Bevölkerung ist überwiegend (ca. 95%) weiß, der Bundesstaat ist der zweitärmste Staat in den USA, die Landschaft wird durch malerische Gebirge beherrscht. Früher lief hier viel über Bergbau, wenig von den Profiten verblieb allerdings im Staat und bei den Arbeitern. Heutzutage ist es eine typisch strukturschwache Region, die vom Tourismus lebt, den die Nationalparks anziehen, und von geringfügiger Berglandwirtschaft, wie Rind- und Pferdezucht. Der Bundesstaat wird gerade republikanisch geleitet, ist aber ein unsicherer Kandidat in Wahlen: einerseits sind die Bergarbeiterfamilien von sozialen wirtschaftlichen Konzepten überzeugt, auf der anderen Seite stark wertkonservativ, geleitet von vielen Unterarten der protestantischen Glaubensgemeinde.

Wir haben uns am Samstag in Woodbrigde getroffen, um uns zur Abfahrt bereit zu machen. Drei Menschen, drei Hunde und ein großer Jeep Commander. Während Bailey, ein brauner Labrador, und Carlos, mein Husky-Schäferhund-Mix, sich unter viel Gezanke den Platz im Kofferraum teilten, durfte Cooper, eine weiße, zottlige sogenannte Trethupe, es sich vorne auf dem Schoß der Besitzerin bequem machen. Ohne große Probleme fuhren wir dann die vier Stunden bis nach Parsons, einer Kleinstadt in Tucker County, über die langen Routes, die ähnlich den deutschen Bundesstraßen sind. Wenig Verkehr und eine sich immer mehr ins Bergische verändernde Landschaft hielten mich wach. Immer wieder erstaunlich ist, dass, obwohl Amerika immer so riesig erscheint, die Autofahrten immer sehr kurz zu sein scheinen. Auf der Karte sieht die Strecke wie eine Durchquerung von Europa aus, realistisch ist es aber die Autofahrt von Berlin nach Thüringen.

In Parsons legten wir erstmal einen kleinen Mittagsstop ein, bevor wir zu der cabin, einer kleinen Blockhütte mitten im Wald, weiterfuhren. Schon hier merkte man den Unterschied zum Stadtleben: eine gemütliche Matrone kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, nachdem das Restaurant extra für uns erst geöffnet wurde. An dem kleinen Bach vor der Terasse saßen Kinder und Großeltern und malten in ruhiger Atmosphäre. Sie waren nach eigenen Angaben schon fünf Stunden da, und die Bilder sahen handwerklich gut aus, auch wenn die Szenerie recht austauschbar wirkte. Auch die Speisekarte verriet, dass wir nur wenige Meter von der Wildnis entfernt waren, bestand sie doch hauptsächlich aus Wildgerichten und klangvollen Namen wie die black bear pizza. Wo wir gerade bei Wildnis sind, nach der Mittagspause bereiteten wir uns emotional darauf vor, welche Gefahren uns erwarten würden. In den ruhigen Gewässern lauern hochgiftige Wasserschlangen, und auch an Land könnte man auf Klapperschlangen und ähnliches Getier treffen. Bienen, Wespen, Hornissen und Ameisen sind im Allgemeinen größer und aggressiver als in Europa. Und dann die großen Tiere: allen voran ist der black bear, der auch mal braun sein kann. Wichtigste Info dabei: nicht auf Bäume klettern! Alles, was man über Grizzleys gelesen hat, muss man da vergessen. Die Schwarzbären können nämlich auch klettern und würden einem flüchtenden Kletterer einen kurzen Prozess machen. Vielmehr stehenbleiben und laute Geräusche machen und sich so groß wie möglich aufplustern, ohne in eine tatsächliche Angriffsbewegung zu verfallen. Ach ja, und hoffen, dass keine Jungtiere dabei sind, dann hilft nämlich alles nichts mehr. Der größte Feind für Mensch und Hund allerdings lauert im Gras: deer ticks sind böse Zecken, die oft lyme disease übertragen, was tödlich für beide wirken kann.

Die letzten Meter unser Reise haben wir dann im Allradantrieb zurückgelegt, für mich das erste Mal, dass es gerechtigfertigt war, einen SUV-Jeep zu besitzen. Anders wäre man tatsächlich nicht den Berg hochgekommen. Die Hütte selbst war ein kleines Paradies. Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss, komplett aus Holz mit 4 Schlafzimmern, Wohnzimmer inkl. Küche, Bad und Vorratskeller – das würde einer Familie auch mal als Erstwohnsitz reichen. Dabei aber kein großer Luxus, sondern einfach nur Geräumigkeit, aber natürlich trotzdem eine ganze andere Liga als der Brandenburger Ferienbungalow, den ich gewohnt bin. Die Hütte umgab ein großes Grundstück mit frisch gemähtem Rasen und einer alten, großen Scheune in und vor der 9-10 alte amerikanische Autos standen. Ein Paradies für einen Autoliebhaber, der feuchte Hände beim Gedanken an die Restauration der im Grunde nur zugestaubten Straßenschlitten und Nutzfahrzeuge aus allen Epochen, angefangen bei den ’30ern, bekommen würde. Als ich dort ankam, gelang es mir, auch dank fehlender Handyverbindung, Berlin, Deutschland, Freunde und verlorene Freundschaften, eigentlich alles, was mich bis hierher verfolgt hatte, komplett zu vergessen. Ich wurde von der schon anwesenden Familie herzlich empfangen und man freute sich über die helfende Hand und interessante Einblicke in die europäische Welt. Der kleine Sohn, der unablässig redete, freute sich über die Hunde, aber nochmehr über neue Menschen, denen er alle Möglichen wichtigen und unwichtigen Fakten auf die Nase binden und mit Fragen über Gott und die Welt, literally, löchern konnte.

Den Abend verbrachten wir in einem kleinen Ort, Thomas. Überraschenderweise war dort eine Kunstgallerie angesiedelt und wir kamen in die absurde Situation uns durch ca. 50-100 hipster durchzukämpfen, die in dem urigen Ambiente absolut deplaziert wirkten und eine widerliche akademische Arroganz an den Tag legten, dass es nur wenig brauchte, sich mit ihnen anzulegen. Als wir uns so den Weg zu unserem eigentlichen Ziel, der Kneipe Purple Fiddle, freigekämpft hatten, erwartet uns aber eine grandiose Entschädigung: Menschen, die diese Gegend in sich aufgesogen hatten. Ein alter, wettergegerbter Typ mit einem Bart, auf den man nur neidisch sein konnte, wendete deer burger am Grill, während sein Kumpane mit vom Alkohol tiefroten Gesicht und einer fast purpurnene Knollnase leise auf einen Vogel einredete, der in seiner Hand saß, und den er wohl gerettet hatte, als er aus dem Nest fiel. Drinnen spielten verschiedene Folk- und Country-Bands, während wir draußen Zeugen von absurden Szenen wurden. So kam ein Auto angerast und versucht in eine Parklücke zu kommen, die definitv zu für den massiven Wagen war. Aber was nicht passt wird halt passend gemacht, und so macht das Auto einen großen Satz vorwärts und rammte in einen anderen parkenden Wagen. Dann stieg ein schwankender Typ aus, kümmerte sich nichtmal um den Schaden und ging zur Bar und bestellte sich einen Schnaps. Meine unglaubigen Blicke wurden von den Sitznachbarn mit einem „Der ist halt so, das passiert öfter mal“ kommentiert. Verrückte Landleute. Keiner hinderte ihn daran, nach seinem Drink wieder ins Auto zu steigen und seinen Schlangenlinienweg fortzusetzen.

Wir fuhren dann auch irgendwann aufgrund um sich greifender Müdigkeit zurück in die Hütte. Der Junge, der ununterbrochen redet, bekam Redeverbot und war wenige Minuten danach im Tiefschlaf – ein Effekt, den wir uns noch einige Male an diesem Wochenende wünschten, der aber leider so nicht reproduzierbar war. Damn it. Erledigt fielen wir alle ins Bett und auch die Hunde waren sofort weg.

Am Sonntag weckte mich der böse Arbeitsrythmus bereits um sechs Uhr morgens und ich konnte es nur schwer auf neun Uhr ausdehnen. Darum half ich nach dem Aufstehen, einem grandiosen Sonnenaufgang über den Baumwipfeln und einem Kaffee im hölzernen Schaukelstuhl, in der Küche bei der Vorbereitung des deftigen Frühstücks. Unsere Pläne für den Tag waren ein Ausflug ins Seneca-Gebiet, wo wir vorhatten einen Berg per hiking zu bezwingen. Ich erklärte mich bereit, aufgrund der Armverletzung meiner Begleiterin, den Jeep zu steuern. Ein Fahrgefühl, an das ich mich gewöhnen könnte. Dieser 2,5-Tonnen-SUV liegt ruhig wie ein Schlachtschiff auf der Straße und steuert sich mit behäbiger Stärke durch die kurvigen Bergstraßen. Unser Soundtrack bestand stilecht aus Country-Songs und, etwas unpassend, den Red Hot Chili Peppers. Irgendwann bogen wir vom bepflasterten Weg ab und es ging auf eine staubige Bergpiste. Die Landschaft, die sich vor uns ausbreitete, beeindruckte, wenn auch nur für kurze Zeit. Dann setze nämlich Regen und Gewitterstürme aus den tief hängenden Wolken ein und raubte ein Großteil der Sicht. Das erwies sich dann auch als größtes Problem beim Wandern: letztendlich sind Amanda und ich zu zweit auf den Gipfel gelaufen, die Hunde im Schlepptau, während alle anderen unten blieben und den, wie sie sagten, beschwerlichen Marsch zum nächsten Restaurant auf sich nahmen. Das Wandern im Regen über 2.3 Kilometer und dabei mit einem Höhenunterschied von 340m war aber auf jeden Fall die Aussicht wert, die uns oben erwartete. Und irgendwann wurde auch das Wetter besser, so ungefähr als wir unten klatschnass ankamen.

Danach machten wir uns auf den Weg zurück nach Parsons, mit einigen Zwischenstopps. Erst hielten wir an einem netten Restaurant und glichen die anstrengende Wanderung aus, der nächste Stopp war am otter creek trail, einem schönen Stück Natur, wo die Hunde im Bachlauf spielten und wir uns probierten auf den glitschigen Steinen zu halten. Frisches Quellwasser kam aus den Felsen und füllte unsere Flaschen und wir setzen uns mitten in den Bach, um die untergehende Sonne zu genießen. Zurück ging es über eine große Hängebrücke, die gerade der kleinen Schwester von Amanda etwas Angst machte. Sie kämpfte sich aber vorwärts und die Hunde gaben ihr die Sicherheit, ohne Probleme rüberzukommen, auch wenn ihr der Unwillen ins Gesicht geschrieben stand. Nach diesem kleinen Intermezzo kamen wir wieder auf der Hütte an und wechselten erstmal die Sachen. Denn trotz Regen und viel Aktivität: die Temperaturen waren eine Herausforderungen. 30-33° Celsius ließen mich fast fromm werden und einer höheren Instanz für die Erfindung von Klimaanlagen in Autos danken.

Den Abend verbrachten wir bei Marshmallows über der Feuertonne beim Nachbarn. Begleitet vom Zirpen der Zikaden und dem Grunden der bullfrogs, was zusammen ein sonores Hintergrundbrummen erzeugte, wurden alte Geschichten ausgetauscht. Irgendwann wurden wir alle still, weil sich in der Dunkelheit ein Schwarm weitere Nachbarn bemerkbar machte: auf dem nahegelegenden Feld erhoben sich tausende von fireflies und stiegen bis in die Bäume auf. Ärgerlich, dass ich das nicht auf Bilder bannen konnte, aber die Glühwürmchen erzeugten eine geradezu mystische Atmosphäre, während sie in regelmäßigen Abständen schwach aufleuchteten. Die Bäume schienen von kleinen Geistern durchzogen zu sein und in diesem Anblick fühlten wir uns auf einmal sehr nebensächlich angesichts dieses Schauspiels. Das Bewusstsein, dass es ohne unser Zutun stattfand und sich in der gleichen Schönheit unabhängig von unser Existenz abbilden würde, rückte die Welt in andere Maßstäbe. Wenig später verschwanden die Glühwürmchen wieder im Feld und nur noch wenigen stießen ab und zu hervor. Die aufgeladene, gedankenschwangere Atmosphäre entspannte sich und irgendwann entschlossen wir uns, schlafen zu gehen.

Der nächste Morgen war wieder von Übermut geprägt. Noch vor dem Frühstück ging es an die aufregenste Aktivität an diesem Tag: Amandas Vater hatte vom Nachbarn mal eben einen .44er Magnum Colt geholt. Der Revolver, der bekannt aus Dirty Harry ist, ist eine typische Jagdwaffe. Als ich damit hantierte sah ich bestimmt unglaublich töpfelhaft aus, aber immerhin traf ich aus 10-15m das Ziel. Die Waffe lag schwer in der Hand und riss die Hand nicht unwesentlich nach oben, aber nicht so schlimm, wie ich es mir erwartet hatte. Dafür war der Knall ohrenbetäubend und klingelte mir nach drei Schüssen noch Stunden in den Ohren. Meine Mitschützen beobachten erstaunt meinen respektvollen Umgang mit dem Revolver, wobei wohl wieder eine grundlegend andere Sozialisation erkennbar wurde. Für meine Begleiter war der Umgang mit Waffen gewohnt, auch für den 8-jährigen Jungen und die 13-jährige Tochter. Ich hingegen hatte in meinem Leben nur selten direkten Kontakt zu Schusswaffen und dementsprechend kaum ein Verhältnis dazu, was sich schlagartig änderte, als ich die mächtige Waffe, die bei menschlichen Körpern oft komplette Durchschüsse produziert, in der Hand hielt. Gesunde Vorsicht und Misstrauen erschien mir angebracht, auch wenn natürlich am Ende der Stolz über den Treffer überwog und zum posieren verleitet. Nachdem wir das Training fortgesetzt hatten, gab es gutes Frühstück mit leckeren french toast und dann packten wir aber auch schon unsere Sachen. Amanda wollte nämlich noch ihr Pferd auf einer benachbarten Ranch besuchen und so statteten wir da einen kleinen Besuch ab und sagten der dortigen Pferdepflegerin Hallo.

Danach ging es Richtung Heimat. Für ungefähr zehn Meilen. Dann fiel uns auf, dass der Reifendruck zu niedrig war. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass der Reifen unbrauchbar war und gewechselt werden musste. Ach ja, meine tatkräftige Begleitung hatte einen kaputten Arm. Man kann sich vorstellen, an wem die undankbare Aufgabe in 34° C im Schatten hängen bliebt? An mir, und zwar in praller Sonne. Hatte ich erwähnt, was wir fuhren? Einen 2.5-Tonnen-Jeep. Ein kurzer Abriss, wie ein Reifenwechsel unter diesen Umständen funktioniert: Erst muss man den Ersatzreifen in seiner Halterung unter dem Auto herunterlassen und darunter hervor bugsieren. Die Reifen sind ca. 2x-3x so schwer wie normale Reifen und klemmen gerne alle möglichen Körperteile ab. Danach schiebt man sich bist zur Hinterachse mittig unter das Auto und achtet dabei höllisch darauf, nicht mit dem heißen Auspuffrohr in Berührung zu kommen, während man mit ähnlicher Temperatur vom heißen Asphalt von unten gegrillt wird. Der Wagenheber wird unter der Achse platziert, und wenn man dann jemanden dabei hat, der Anleitungen nicht lesen kann, hebelt man sich mit der falschen Methode einen Wolf um das Auto überhaupt angehoben zu bekommen. Danach die Schrauben mit vollen Körpereinsatz und auf-das-Werkzeug-springen lockern. Sich den Reifen auf den Fuß fallen lassen und dann zehn Minuten vergeblich versuchen, den Ersatzreifen an die richtige Stelle zu bringen. Schrauben wieder eindrehen, unters Auto kriechen, sich rösten lassen, Wagenheber herunterlassen (diesmal mit der richtigen Methode) und die Schrauben wieder unter Körpereinsatz ranziehen, den kaputten Reifen in die Halterung unters Auto bugsieren, hochziehen und … voíla. Von oben bis unten dreckig, verschwitzt und glücklich, es geschafft zu haben.

Merke: Die Zombieinvasion kann kommen – ich weiß, wie ich vor Schwarzbären (nicht) flüchte, wie ich eine .44er bediene und wie ich einen Kampfjeep repariere.

Wenige Zeit nach der Reperatur hielten wir an einem weiteren grandiosen Flecken Natur an, ein Bach, der zu einem kleinen Halbwasserfall bzw. zu einer Mini-Stromschnelle wurde und darunter ein tiefes Becken bildete. Um den ganzen Dreck abzuwaschen bin ich einfach reingesprungen. Wie großartig. Das herrliche Gefühl, von fließendem Wasser umgeben zu sein und ordentlich schwimmen zu können, während um eine die Sonne vereinzelt durchs Blätterdach bricht … Von einem kleinen Felsvorsprung konnte man sogar wortwörtlich reinspringen. So gereinigt konnte die Fahrt weitergehen. Durch die vielen Erlebnisse schliefen meine Begleiterinnen schnell ein und auch die Hunde schlummerten selig. Ich genoss die Ruhe und fuhr in der untergehendenen Sonne neben Motorradkorsos auf weitläufigen Freeways immer Richtung Norden …

 

Wenn man in Berlin wohnt, kommt man um den 1. Mai kaum herum. Wenn man in Friedrichshain und Kreuzberg wohnt, noch viel schwieriger. Irgendwann verwächst der Tag mit der eignen Biografie. Wenn man Pech hat, sitzt einem dieses Datum noch für Ewigkeiten im Strafregister. Wenn man Glück hat, taucht man unter den Tausenden unter, die an dem Tag unterwegs sind. Gleichwie, der 1. Mai prägt die eigene Sichtweise: auf Formen linksradikaler Politik, auf militanten Widerstand, auf Menschen, die sich nicht mehr anders artikulieren können oder wollen als mit dem Stein in der Hand. Aber auch: auf eine Polizei, die seit Jahren auf dem Rückzug ist, die ihr Machtgehabe aufgegeben hat, die nicht mehr große Gesten mit dem Wasserwerfer fährt, sondern klammheimlich mit der Strategie der ausgestreckten Hand nach realen oder vermeintlichen Tätern greift.

Es ist ein komisches Gefühl, wenn man mal nicht am 1. Mai in Berlin ist. Nicht Dutzenden von Bekannten begegnet, die man seit Monaten nicht gesehen hat, die sich aber immer zur Walpurgisnacht oder am Tag der Arbeit blicken lassen. Sich keine riesigen Rauchschwaden vom MyFest, der Zelebrierung der Befriedung Kreuzbergs, über dem Bezirk erheben.

In Washington D.C. wurde zum 1. Mai mobilisiert. Obwohl ja der eigentliche Feiertag der labors day ist, irgendwann im September, wohl um von den Erschießungen beim ursprünglichen 1. Mai 1886 in Chicago abzulenken. Eine starke und lebendige Erinnerungskultur ist nur selten vom bürgerlichen Staat erwünscht, wenn es sich um Arbeiterbelange handelt. Trotzdem wurde auch von linksradikalen Gruppen in DC zum mayday dc aufgerufen, der erst aus einem Fest im Malcom X Park bestand und dann später zu einem Marsch zum Weißen Haus quer durch die Stadt einlud.

Mir wurde erzählt, dass es kaum Traditionen hinter dem Tag gibt. Kaum einer kann sich an Demonstrationen in dem Zusammenhang erinnern und das mag symptomatisch für die junge linksradikale Bewegung sein, die sich in den USA gerade herausbildet. Unter dem Label „Occupy“ kommen, anders als in Deutschland, verschiedenste Gruppen und Initiativen erstmals seit Jahren zusammen, um gemeinsam Politik zu erarbeiten und zu machen. Tatsächlich sind in den Camps und bei den Workshops von unions über anarchists zu den stalinistischen oder trotzkistischen communists alle vertreten. Alte Gewerkschaftsarbeiter geben jungen Studenten einen Einführungskurs in Arbeiterkampfhistorie, Weiße Black Bloc Aktivisten zeigen jungen Lationos, wie man Plakate und Transparente gut sichtbar bemalt. Die Aufbruchsstimmung ist schon etwas abgeflaut, und es sind immer noch verdammt wenige Menschen, die sich in dieser Szene bewegen, aber ein wichtiges Gefühl für viele ist: „Occupy“ bleibt. Und mit der losen Idee, die „Occupy“ verkörpert bleibt auch die Bereitschaft für Bündnisse und für nachhaltiges politisches Zusammenwirken.

Dabei ist das Konzept kritikwürdig: das Besetzen von Parks ist schon vom Gedanken her eine temporäre Sache – anders als ein Haus ist ein Zelt in Momenten zerstört und bietet keine langfristige Perspektive. Es ist zwar eine Solidaritätserklärung an diejenigen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden und nun in Zeltstädten unter argen Bedingungen leben, aber zu mehr reicht es nicht. Auch die Ortswahl mag auf den ersten Blick richtig erscheinen, ist sie doch direkt am Zentrum der Macht, in der Downtown, wo sich kaum ein Entscheidungsträger der Occupy-Präsenz entziehen kann. Wenn man aber darüber nachdenkt, fehlt es an Bindung zu den Menschen, die faktisch oder potentiell betroffen sind, diejenigen, die diese Infrastruktur um Occupy dringend nötig haben. Ihnen muss das Wissen, die Organisierung und die Workshops zur Selbstermächtigung dienen.

Die kleinen Gruppen, meist nicht mehr als 10, 20 Leute, die vorher einen politischen Zusammenhang bildeten, haben sich jetzt in Washington D.C. in einem größeren, über 100 Personen fassenden Kollektiv eingebracht. Im Vergleich zu New York, Seattle und anderen großen Occupy-Zusammenhängen ist das lokale Bündnis klein und relativ kraftlos. Die Demonstration zum Weißen Haus wird von gut 250 Leuten getragen, 10 Polizeiautos und 4 Motoräder sichern die Veranstaltung. Es gibt keine Aufreger, keine Polizeigewalt, keinen Black Bloc. Es fliegen keine Steine, Barrikaden brennen nicht. Die Themen sind durchaus die gleichen wie in Berlin und Barcelona: soziale Ungerechtigkeit natürlich, Kapitalismuskritik in Zeiten der Krise, Selbstermächtigung der Menschen. Auch in D.C. spielt Gentrifizierung eine große Rolle – die ehemals als unsicher geltende Innenstadt ist inzwischen Aufwertungsgebiet. Inzwischen schätzt man als Anzugträger den kurzen Weg zur Arbeit, die schicken Lokale gleich um die Ecke und das umweltschonende Fahrradfahren. Viele Gebiete im Nordwesten der Stadt sehen aus wie Prenzlauer Berg. Darüber beschweren sich auch hier die Menschen, die sich die $1000 und aufwärts Miete pro Monat und Zimmer nicht leisten können. Der Stadtrand ist kaum eine Option, was man an Miete spart, muss man für die öffentlichen Verkehrsmittel wieder drauflegen. Erst einige Städte später findet man etwas Linderung – hat aber einen Arbeitsweg von mehreren Stunden.

Am Endpunkt der Demonstration, vor dem Weißen Haus, beginnen dann rechte Islamhasser zu provozieren. Zwei Fahnen schwenkended kommen Sie an, die Reichskriegsflagge gleich neben der israelischen Nationalfahne. Als Deutschem bleibt einem da erstmal ein Kloß im Hals stecken. Begründet wird die provozierenden Flaggenkombination damit, dass der Großvater 1919 in Deutschland unter dieser Flagge gegen die Kommunisten gekämpft hat (wohl also Freikorps oder SPDler war) und dass Israel wegen den kommunistischen Massentötungen in der UdSSR gegründet worden sei. Die amerikanischen linken Aktivisten interessieren sich gar nicht für die Reichskriegsflagge, aber die Israelfahne ist ihnen ein Graus: sie schimpfen über den Apartheidstaat, über Menschenrechtsverletzungen und den faschistischen Charakter des Staates. Bei all den progressiven Entwicklungen, über die man in der Organisation und Vernetzung berichten konnte, bleibt in der Ideologie nur Ernüchterung übrig. Linksradikale Kritik hängt sich sich größtenteils an Konsumkritik auf und will große Konzerne und „das Kapital“ a.k.a. die 1% a.k.a. die Männer im Schatten angreifen. Genauso wie die amerikanische Rechte ist auch die Linke anfällig für Verschwörungstheorien und wohl auch für antisemitische Auswüchse. Dominierend ist ein, in der deutschen Verständnisweise, antiimperialistischer Duktus, der sich gleich der Kapitalismuskritik an einzelnen Staaten festmacht: USA, Israel, Großbritannien. Diskussionen darüber stoßen auf Unverständnis und Ablehnung.

Festzuhalten bleibt: in Washington D.C. hat Occupy einer linksradikalen Bewegung geholfen sich zu verbreitern und zu vernetzen. Es hat Plattformen und Wissensspeicher geschafft. Da die Bewegung aber an sich ideologiefrei ist und sich nur durch Bewusstsein der sozialen Lage (99% vs. 1%) definiert, gibt es wenig ideologische Reflektion. Die Feinde stehen fest, die Ziele sind so unklar wie verzweigt. Auch das Konzept Occupy hat Stärken und Schwächen. Es hat vorher vereinzelte linksradikale Gruppen zusammengebracht. Aber es ist nur temporär und muss sich in eine Richtung entwickeln, wo es dauerhaft sich in den hoods verankern kann und eine radikale Kiezinfrastruktur aufbauen kann.

Bemerkenswert ist es allemal, dass Occupy es geschafft hat den 1. Mai nach Amerika zu bringen. In manchen Gebieten sogar mit heimatlich anmutenden Szenen: Seattle erlebt Attacken auf Banken, Flagshipstores und Stadtgebäude. New York hat über 30.000 Menschen auf den Straßen, es bildet sich ein Black Bloc. Und aus anderen Städten hört man ähnliches.

Für Seattle, Chicago und New York ist die Entwicklung relevant für die nächsten großen Punkte der Bewegung. Die NATO-Konferenz, die Ende Mai in Chicago stattfindet, soll blockiert werden, die Mobilisierung dorthin ist für amerikanische Verhältnisse riesig. Die G8-Konferenz, die nur wenige Tage vorher stattfinden soll, geht dabei etwas unter. Ursprünglich war sie auch für Chicago geplant, aufgrund der starken Mobilisierung wurde sie aber nach Camp David verlegt – Maryland, gleich neben Washington D.C. – eine lokale Mobilisierung ist bisher nicht existent. Dafür haben sich New Yorker Aktivisten angekündigt und wollen sich Richtung Camp David aufmachen.

Man mag murmeln: Change. But not the way you thought.

 

Ich wurde schon einigen Leuten genervt gefragt, wann ich denn endlich einen Blogbeitrag zu meinen Reisen veröffentlichen werde. Eigentlich kann man bei mir auf Facebook recht viel mitlesen (und auch entsprechende Fotos sehen), aber es ist zugegebenermaßen recht schön, auch nochmal alles auf einen Fleck zu haben.

Ende des letzten Jahres habe ich mich aus diversen Gründen dazu entschlossen, mich um ein Praktikum in den USA zu bewerben. Wie das ganze abgelaufen ist, werde ich die nächsten Tage nochmal auf ViaJura veröffentlichen, weil es dort besser aufgehoben ist. Festzuhalten bleibt, dass ich dann Mitte Februar alle Unterlagen, Visum, Tickets, Finanzierung usw. zusammenhatte. Nach einer furiosen Abschiedsparty folgte eine turbulente Woche voller Tierarzttermine, letzten Treffen, Shadowrunrunden und – wohl das schmerzlichste – der Stillegung meines Autos.

Am 13. März ging es dann in aller Frühe los. Familiär wurden meine Wenigkeit und mein Hund zum Flughafen kutschiert und von einem Mitbewohner, der nicht mehr ganz wach war und einem Bruder, der noch nicht ganz wach war, ins Flugzeug verabschiedet. Seinen Hund im Keller des Flughafengebäudes verschwinden zu sehen war nochmal ein ganz spezielles Erlebnis. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Betäubung verabreichen sollte, die mir der Tierarzt mit den Worten „Das müssen sie selbst entscheiden.“ mitgegeben hatte. Eine der größten Gefahrenquellen für Hunde auf Flügen ist wohl, von der Betäubung so desorientiert während des Fluges aufzuwachen, dass es zu Panikattacken und Herzstillstand kommt. Mein Konzept war: ich schaue, wie er es die Stunde nach Düsseldorf aushält und entscheide dann. Nachdem ich in Düsseldorf ihn dann (nach etwas Druck  auf die Fluggesellschaft) in Empfang nehmen durfte, machte er einen unglücklichen, aber gesunden Eindruck. Übrigens kümmert sich AirBerlin (oder das Bodenpersonal des Frankfurter Flughafens, keine Ahnung, ob das zur Flugesellschaft gehört), wenn schon nicht um die Fluggäste, so doch um die Vierbeiner wohl verzüglich. Er hatte frisches Wasser im Napf und wurde vom betreuenden Herren bespielt. Wir hatten zwei Stunden Zeit und er war schon nach kurzer Zeit so ruhig, dass ich die Entscheidung traf, ihm auch für den langen Flug keine Tabletten zu geben.

In Düsseldorf sind wir übrigens in eine Anti-Abschiebedemo hineingeraten, die durch den Flughafen zog. Das war eine sehr sympathische Episode, auch wenn der Grund natürlich zum Kotzen war. Dann ging es auf den großen Flug. Das Essen war in Ordnung, der Film schlecht, meine Sitznachbarinnen furchtbar. Schlafen konnte ich leider nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich empfinde die Flüge gar nicht so lang. Die Einreise in die USA war unglaublich einfach. Kein langes Warten, keine quälenden Fragen, vielmehr ein freundliches Lächeln, ein Stempel und schon bin ich durch die immigration zone gekommen. Auch beim Hund, der mir sofort rausgegeben wurde, war ein Blick auf den Impfpass und auf die separaten Dokumente (Schriftlicher Nachweis über Tollwut-Impfung und Gesundheitsprüfung) ausreichend, alles in allem habe ich 30min gebraucht. Im Vergleich dazu: als Tourist habe ich geschlagene 1:30h gewartet, also dreimal solange. Draußen wurde ich nach kurzer Zeit direkt vor dem Flughafen von Freunden aus den USA mit ihrem brandneuen SUV abgeholt, verladen, und nach Bridgeport, CT, gebracht.

Die nächsten zwei Wochen habe ich dann bei ihnen verbracht. Ich hatte den living room für mich, nachdem Carlos sich mit ihrem einen Hund, Marlo, nicht verstanden hat, mussten wir den auch absperren. Mit der Hündin, Penelope oder auch MPP, kam er hingegen blendend klar. Für Carlos waren die ersten Tage so oder so hart. Ich kann es mir nur zusammenreimen, aber ich bin mir sicher, dass die Zeitumstellung ihn ziemlich mitgenommen hat. Seine innere Uhr hat ihm sicher noch Tage später gesagt, dass die Sonne jetzt untergehen müsste, während sie prall am Himmel stand. Dazu kam noch, dass alles um ihn herum anders war: fremde Hunde, fremde Menschen, eine Sprache mit ganz anderer Tonalität, viel an der Leine laufen (das kann in den USA empfindlich werden, ohne Leine erwischt zu werden). Aber immerhin, er hat gut und mit der üblichen Begeisterung gefressen, hatte ausgiebiges Jagdinteresse an den squirrels und spielte auch mit Penelope. Über die Tage wurde es dann auch besser.

Ich hatte, gebunden durch den Hund, die meiste Zeit in Bridgeport verbracht. Eine Ostküsten-Kleinstadt, mit Universität und ehemaliger Hafenindustrie. Der sea side park ist einen Ausflug total wert, auch wenn die Amerikaner das nur aus dem Auto heraus genießen. Mir erschließt sich immer noch nicht, warum man sich an einem schönen Tag in eine riesige, lange Autoschlange stellt, die sich an der Küste entlangwindet, anstatt sich einfach mal auf die Steine zu setzen und das Auto auf dem Parkplatz stehen zu lassen. Ich war aber der einzige, der mit seinem Hund im Wasser rumtollte, und wurde wahrscheinlich von den Amerikaner mit derselben Verwunderung betrachtet, die ich über ihr Verhalten hatte. Ansonsten hat Bridgeport viele Ableger von guten Ketten, die man sich merken darf. Dazu gehören Five Guys, die einen sagenhaften Burger machen, und Two Boots, eine recht angenehme Pizzeria mit angehängter Konzertlocation. Ansonsten kann ich Andros Diner empfehlen, ein unglaublich leckeres 24/7-Diner, das für die Menge und die Qualität, die sie liefern, einen sehr angemessenen Preis nimmt (2 Personen kommen da incl. tip mit $20 weg).

Wenn ich nicht gerade am Meer oder Essen war, habe ich mich an die amerikanische Einkaufskultur gewöhnt. Stop & Shop ist quasi das Kaufland der USA, weiter südlich heißen sie Giant. Große, aber nicht riesige, Auswahl und mit einer kostenlosen Kundenkarte auch sehr schnell 10-20% gespart. Ich habe mich erstmal mit einem Vorrat an Capt’n Crunch, Lucky Charms und English Muffins eingedeckt. Man bekommt da auch Soyamilch und vegane Tiefkühlburger, aber wenn man spezieller werden will, geht man zu Whole Foods. Das ist ein ähnlicher großer Supermarkt, der sich aber auf regionale und Bio-Produkte spezialisiert hat. Klischeemäßig stehen große dicke SUVs davor auf dem Parkplatz, aber nicht auf den vordersten Plätzen. Die sind nämlich reserviert für reine Stromautos, und da gibts auch gleich die Stromtanke, die man kostenlos benutzen darf. Was man da noch auf dem Parkplatz sehen kann: Hybrid-SUVs. Faszinierend, was die Welt doch so alles hervorbringt. Im store gibts dann sehr gutes Obst und Gemüse, ich hatte mich an chilenischen grapes bedient. Außerdem soll es gerüchteweise dort auch Yerba Mate Produkte geben, eventuell sogar mit Sprudel. Das werde ich noch herausfinden. Andere Läden des Alltäglichen findet man mit target und Kohls im Haushalts- und Klamottenbereich (gute Sparmöglichkeit, im Abverkauf bis zu 80%) und mit Best Buy im elektronischen, obwohl ich hier in Zukunft wohl dann doch zu Amazon ausweichen werde.

Wo wir gerade bei Best Buy waren – die verkaufen auch Starterkits für Prepaid-Paktete. Da ich eh eine Handynummer in den USA brauchte, habe ich nach etwas geschaut, was kompatibel zum iPhone 4S läuft. Gefunden habe ich H2O, ein Prepaid-Anbieter, der auf dem AT&T-Netz aufbaut und eine, so habe ich mir sagen lassen, für die USA sehr angenehme Preisstruktur hat. Ich bezahle $60 im Monat für unlimited voice & text und 1GB an 3G-data. Tatsächliche habe ich nichts wirklich günstigeres gefunden, weil die meisten Sachen wohl nicht mit dem iPhone funktionieren oder eine zu lange Laufzeit haben. Wenn ich nach Hause telefonieren will, dann nehme ich Skype und hab mir für 15€ für 3 Monate eine Rufnummer in DE gekauft. Das geht über SIP-Dienste wohl noch günstiger, aber sipgate fällt raus und auf die schnelle habe ich nichts anderes vernünftiges gefunden.

Einige Tage ging es dann auch nach New York City, das ja praktischerweise nur eine Stunde per Zug entfernt liegt. Dort habe ich dann unter anderem mit meiner besten Freundin und ihrer Mutter die Stadt erkundet, uns über den St. Patrick’s Day belustigt, ich habe andere Menschen aus Berlin getroffen, die schon etwas länger in der Stadt verweilen und auch einen Fachvortrag besucht. Ansonsten bin ich alleine durch die Stadt gewandert, vor allem durch Manhattan und habe viele Sachen mitgenommen, die ich 2010 nicht geschafft hatte. Chinatown, Little Italy und den Times Square waren dabei. Und mir ein paar nette Läden rausgesucht, Midtown Comics war jetzt nicht so berauschend, aber vor allem mit anderen Touris überlaufen (war nur wenige Schritte vom Times Square entfernt), viel interessanter war dann The Compleat Strategist, der einen altmodischen Pen&Paper-Rollenspiel- und Tabletop-Laden darstellte. Hier habe ich ungestört mich in mir total unbekannte Regelwerke reinlesen können, die irgendwo in der hintersten Ecke rumschwirrten und nicht einmal ausgepriesen waren. Nachdem ich den unfreundlichen Verkäufer lange genug genervt hatte, ist er dann auch etwas aufgetaut und hat mir interessante Einblicke in den Rollenspiel-Markt gegeben: White Wolf wird bei denen im Laden mit 30-50% Rabatt verkauft, weil da eh nichts mehr kommen wird – 90% der Pen&Paper-Crew bei denen wurden entlassen, ein Prozess, der damit seinen Anfang nahm, dass eine isländische Firma die Firma einfach mal gekauft hatte, nur weil sie eine Lizenz für ein World of Darkness Onlinerollenspiel haben wollten. Die dachten sich, dass es ganz cool wäre, gleich die kreativen Köpfe miteinzukaufen und am Projekt werkeln zu lassen. Was dann im Rahmen von Fehlkalkulationen dazu geführt hatte, dass die Printsparte ganz simpel wegrationalisiert wurde, weil sich die Mutterfirma einfach nur noch um ihren MMPORG-Kram kümmern wollte. Soweit aus der Gerüchteküche, mehr habe ich dann auch gar nicht so richtig in NYC geschafft. Ich habe überlegt, mal etwas tanzen zu gehen, aber wenn ich mir Eintrittspreise von $35 für Tiefschwarz anschaue, dann habe ich das Geld doch lieber in einen weiteren Besuch bei Andros investiert.

Bevor es dann weiterging nach Washington D.C., habe ich mir von meinen amerikanischen Gastgebern noch Fahrstunden geben lassen. Bisher hatte ich alle Strecken ganz gut auf dem Fahrrad, das ich mir dort fahr- und sommertauglich gemacht habe, hinter mich gebracht. Man muss halt nur etwas mehr Zeit einplanen und mit Verwunderung rechnen – Fahrräder sind außerhalb der Metropolen noch nicht wirklich aktzeptierte alternative Fortbewegungen, wenn man sie nicht zum Sport nutzt (sie also ins Auto packt und zum nächsten state park fährt, um dort sich die hügeligen Strecken hoch- und runter zu quäen). Auf jeden Fall, die wichtigsten Umstellungen im amerikanischen Straßenverkehr waren für mich: die 4-way-stops, wo man in der Reihenfolge, in der man an die Kreuzung kam, auch rüberfährt. Kein Rechts vor Links. Wenn nicht klar ist, wer zuerst da war: per Gesten verhandeln. Auch neu: Ampeln auf der anderen Seite der Kreuzung. Also bitte nicht direkt davor stehen bleiben, dann steht man nämlich mitten auf der Kreuzung.

Und dann ging’s nach einigen Tagen per Mietauto nach Süden. Mietauto, weil die öffentlichen Verkehrsmittel in den USA absolut hundeunfreundlich sind. Hundefeindlich, quasi. In Bus, Bahn, Metro, in fast allen öffentlichen Orten, auch Cafés und Restaurants, sind Hunde verboten. Darum konnte ich nicht für $50 per AmTrak, die nationale Eisenbahngesellschaft, runterreisen, sondern habe für $170 die Reise per Auto gemacht. Dabei entfielen $100 auf das Mietauto (Avis, 25% Rabatt für Touris per Gutschein), $40 auf das Benzin und, sehr ärgerlich, knapp $30 für tollroads, also gebührenpflichte Straßen. Und da jeder Staat an seinem Abschnitt der Interstate mitverdienen wollte und mich die I-95 durch sieben Staaten führte, durfte ich ordentlich abdrücken. Bei der Autofahrt durfte ich dann weitere Eigenheiten des Verkehrssystems feststellen. Wichtigster Grundsatz ist das stay in your lane – Gebot, bei einem Spurwechsel ist äußerte Vorsicht geboten. Überholt wird links und rechts, mit z.T. wenig Rücksicht. Die überwiegende Mehrheit der Autofahrer ist aber nachsichtig und freundlich, wahrscheinlich sogar ein höherer Anteil als in Deutschland. Ab und zu wird auch auf bestimmte Rechte verzichtet und Platz gemacht. Aber es gibt auch stressige Fahrer, die gefährliche Situation provozieren. Also sollte man immer konzentriert fahren. Wo man mit sich selbst in’s Gehege kommt, ist das speedlimit – das beträgt in den meisten Staaten zwischen 55 und 65 mph. Das muss man erstmal umrechnen und kommt dann auf ca. 90-110 km/h. Wer sich auf die soliden 130 km/h auf deutschen Autobahnen gewöhnt hat, muss immer mal wieder vom Gas gehen, um nicht zu weit über dem Limit zu sein. Den Wagen ausfahren kann man eh vergessen.

Ich bin dann also in einer gut sechsstündigen Fahrt mit meinem süßen, mintgrünen Kompaktwagen an Philadelphia vorbei quer durch Baltimore (atemberaubende Sicht auf die Kohleberge des Hafens) und D.C. rein nach Virginia gefahren. Um endlich an meinem neuen Zuhause anzukommen in einer der, wie ich schnell feststelle, oberschichtigsten Gegenden: Pentagon City. Wie der Name schon sagt, nur wenige Meter vom Pentagon entfernt ist das Wohngebiet primär von Angehörigen ders Militärs bewohnt. Sicher. Weiß. Korrekt geschnittener Rasen. Und da hat man mich nun reingeworfen, mein Vermieter stellte sich mir lachend mit „Das ist ein Haus voller republicans, ich hoffe, du bist kein democrat?“ vor. Nein, bin ich nicht. Aber wohlweislich bin ich nicht näher darauf eingegangen, was ich genau für ihn darstellen könnte. Allgemein ist Rob, mein Vermieter, aber ein lustiger Typ, der mir immer wieder Nachhilfe in konservativen Verschwörungstheorien gibt und mir die amerikanische Welt aus republikanischer Sicht erklärt. Bestes Beispiel: der Trayvon-Martin-Fall, der in den USA eines der präsentesten Themen gerade ist. Rob lehnt eine rassistische Komponente in dem Fall ab, für ihn wäre der Schuss genauso berechtigt gewesen, wenn dort ein weißer Junge und ein schwarzer Bürgerwehrler gestanden hätte, immerhin wäre es eine gated community gewesen und da muss man solche Strolche ja mal maßregeln, der Todesschuss sei insofern nur ein bedauerlicher Unfall. Außerdem würden die liberalen Medien ja nur Obama damit unterstützen wollen, indem sie Rassismus in den Fall interpretieren, weil dann alle black people ihn wiederwählen wollen, nur um keinen weißen Mann an die Macht zu lassen. Für mich ist der Einblick in die reaktionäre Gedankenwelt sehr erhellend, und Rob versteht es auch, wenn ich mich seinen Lehrstunden, die gut mal 30-45min dauern können, entziehe. Ich zahle meine $900 rent per month auch nicht nur für die gute Gegend, sondern auch dafür, in einem Haus zu leben, in dem Männer noch Männer sein können, wurde mir gesagt. Na dann, Prost oder so.

In der Stadt gibt es zum Glück auch andere Leute und einige davon durfte ich am Wochenende kennenlernen. Da wäre Dough, der so freundlich war und mich nach einigen Mails auf einer Maillingsliste in der politischen Community vorstellte, auf einer klassischen Homeparty. Ich habe dort einige freundliche Menschen kennengelernt und erste Kontakte geknüpft, das macht das Ankommen deutlich leichter. Mir ist übrigens aufgefallen, dass ganz D.C. von Deutschen okkupiert ist. In politischen Zusammenhängen genauso wie als Touristen auf der Straße, schlimm, davon wollte ich doch etwas wegkommen! Anyway, auch über die politischen Kontakte hat mir Katja von Positive Force DC, dem politischen Arm der lokalen Punk-/Hardcore-Szene, eine kleine Einführung in Stadtgeschichte und Sehenswürdigkeiten gegeben. Eine der besten und interessantesten Stadtführungen in meinem Leben und ich fühle mich wirklich klüger.  D.C. ist im vergleich zu NYC übrigens sehr entschleunigt. Das mag daran liegen, wie mir erklärt wurde, das gerade noch spring break ist, viele also Urlaub machen. Aber es sind weniger Auto, weniger Stress im Fußgängerverkehr, auch die Metro ist selbst zum peak-of-the-peak erträglich voll. Die Stadt ist, das kennt man ja von einschlägigen Publikationen, sehr flach und wimmelt von unterschiedlichster Architektur, das FBI-Gebäude sieht aus wie ein riesiger Bunker, die alten Stadtgebäude von DC erinnern an die Vorratslager in Kreuzberg am Spreeufer, dann natürlich der Stil des Weißen Hauses und des Capitols. Viel mehr habe ich von DC bisher nicht gesehen, weil sich viel um Carlos dreht, aber ich bin ja auch erst eine Woche hier.

Carlos hat aber insgesamt viel Glück mit meiner Wohnungswahl. Er darf rumrennen im Haus, wie er will. Nur 1,5 Meilen entfernt ist ein riesiger Hundeauslaufplatz, der sogar einen creek mittendrin hat, wo er durchschwimmen kann. Dieser dog park war am Sonntag unglaublich überfüllt, aber das mag am Wochentag und am großartigen Wetter gelegen haben. Carlos hat’s auf jeden Fall gefallen. Nebenan wohnen republikanische Althippies, stolze Waffenbesitzer, die sich darauf vorbereiten, dass die Welt untergeht und Vorräte horten. Liebenswerte Typen, die den ganzen Tag zuhause sind und einen Golden Retriever haben, der sich ganz gut mit Carlos versteht. Die Beziehung werde ich probieren, auszubauen, vielleicht verschafft mir das auch etwas Freiraum, mal 2-3 Tage wegfahren zu können. Übrigens, beim Futter setze ich auf das altbekannte Pedigree. Weil ich die Marke als Einzige im Supermarkt kannte und als einigermaßen ok erachtete und Carlos die auch begeistert frisst, werde ich daran erstmal nicht rütteln.

Auch ohne Auto lässt es sich hier in Pentagon City gut leben. Alle wichtigen Geschäfte sind in Umkreis von einer Meile erreichbar. Es ist schon anstrengend, meine Einkäufe den Berg hochzuschleppen, auf dem ich wohne, aber insgesamt kann ich mich nicht beklagen. Ich kann halt nur keine riesigen Mengen mitnehmen, aber da ich zumindest an einem Supermarkt eh jeden Tag von Arbeit vorbeikomme, kann ich immer etwas mitnehmen. Nur einmal hatte ich mich überschätzt und habe dann den restlichen Weg per Taxi zurücklegen müssen. Was beim Einkauf übrigens eine richtige Qual war: Bettwäsche. Mir wurde eine queensize-Matraze zur Verfügung gestellt, die mit 1,90m Länge etwas kurz für mich ist, aber das ist schon ok. Am ersten Abend dachte ich, es würde reichen, einfach dafür ein Queensize-Set zu holen, eines mit acht Teilen klang gut. Drin befand sich ein Bettüberwurf, eine Bettdecke (comforter), aber kein Bettdeckenbezug. Dafür Kissenbezüge (shams) in zwei Größen (standard and european) und zwei decorative pillows. Am nächsten Morgen musste ich also nochmal los und habe ein Spannbettlaken (fitted sheets) und ein pillow, european size geholt. Den Bettdeckenbezug habe ich bis heute nur in absurden Preisklassen gesehen, von $50 aufwärts.

Heute ist finally meine erste Club-Mate-Lieferung angekommen. Das ist ja so im Grunde die einzige Sucht, der ich mich hingebe, auch wenn sie bitter ins finanzielle Fleisch schneidet. Für 12 Flaschen werden $55 abgezockt, und ich werde sie mir jetzt gut einteilen. Zwei pro Wochenende, das nehme ich mir vor. Der Preis ergibt sich vor allem aus dem Import, es ist ja deutsche Mate die in absoluten Kleinstmengen hierher importiert wird. Nicht etwas für die eh kaum bestehende Techno-Subkultur, nein, hier ist das noch ganz die Hackerbrause, die es bei uns auch irgendwann mal war.  Entsprechend gibt’s die auch nur in Kreisen der Szene zu kaufen, z.B. beim 2600-Magazin. Theoretisch soll es, wie schon oben erwähnt, auch amerikanischen Yerba-Mate-Produkte geben. Ich werde der Sache nachgehen, sonst kann es schnell sehr teuer für mich hier werden.

Das soll es erstmal gewesen sein, an Bericht und Anekdoten. In Abstimmung mit meiner Praktikumskanzlei werde ich auf ViaJura dann auch mal fachliche Eindrücke aufzeigen. Und hier kommen sicherlich noch mehr Berichte und Fotos …

 

Ich bin ja jetzt schon wieder ein paar Tage zuhause, hab aber durch Klausuren und so allgemeinem Krams wie Rechnungen und Arbeit nicht wirklich die Zeit gefunden, meine Reise nachzubereiten. Das will ich an dieser Stelle nachholen.

Also die ganze Reise war ja im Grund recht kurzfristig, zumindest so kurzfristig, dass ich meinen Reisepass im Expressverfahren beantragen musste, was mich gleich mal 70€ oder sowas in dem Dreh gekostet hat. Übrigens, die Flugkosten lagen bei 330€ Hin- und Zurück, gebucht habe ich über ebookers. Ich finde das ganz entspannt, hab aber natürlich nicht so den Überblick, es war mein erster richtiger Auslandsurlaub seit langem, und überhaupt mein erster längerer Urlaub seit Jahren. Ich werde euch den Urlaub jetzt einfachmal tageweise zusammenfassen und immer schöne Bilder dazu präsentieren.

Freitag, 12. März: Als ich um 07.45 ausm Fenster geschaut habe, musste ich erstmal den Kopf schütteln. Schon wieder so ne dumme Schneedecke, bestimmt 5-10cm hoch. Ey, ne, gut dass ich da weggekommen bin. Also laaaange Verabschiedung von Carlos und dann mit dem dicken Koffer, so nen Rollteil, aber ohne Plastikschale, ab nach Tegel. Ist ja eigentlich ganz easy, Ringbahn und dann Zubringerbus, halbe Stunde und ich war im Flughafen. Durch Online-Check-In brauchte ich nur mein Gepäck aufgeben und nen paar nervige Fragen (“Haben sie alleine gepackt?”, “Haben sie das Gepäck unbeaufsichtigt gelassen?”) beantworten – Neeeein ich bin kein Terrorist, jedenfalls keiner, vor dem ihr Angst habt. Dann noch einen Morgenkaffee und Bagel bei Starbucks und danach mitm iPhone im Wartebereich gechillt.

Solange hat das irgendwie alles nicht gedauert, ich hatte das aus meiner Kindheit schlimmer in Erinnerung. Die 6500km Flug nach NYC waren dann auch schnell vorbei, ich hab mal schnell “Der Fänger im Roggen” von Salinger gelesen und mich am Flugzeugessen ergötzt.

Und dann bin ich 14.30 Ortszeit im JFK-Airport in den USA angekommen. Effektive Flugzeit: 5 Stunden. 😀 Ich mag Zeitverschiebung. Lange lästige Einreiseprozedur, und etwas Kulturflash schon am Flughafen, aber alles im erträglichen Bereich. Und nachdem ich schnurstracks zur AirTrain gewatschelt bin und mich an den Errungenschaften der Technik und meiner Kreditkarte und allgemein dem bargeldlosen Zahlen erfreut habe, hat mich Annie, eine befreundete Musikerin aus NYC, abgeholt und mir die einzige U-Bahn (Subway!) gezeigt, die überirdisch fährt. Hm, komisch, in Berlin machen das ja einige 😀 … egal, nach der netten Fahrt durch Brooklyn, auf der sich Annie auch schon wieder verabschiedet hat, bin ich dann mitten in der Rush-Hour ins Grand Central Terminal rein. Autsch, das war ein Schieben und Drängen. Aber nichts was man nicht aus Berlin gewohnt wäre. Als ich dann im richtigen Zug saß, hab ich Jon angerufen, den ich ausm Internet von wegen Musik und so kannte, und ihm gesagt, dass er mich in Bridgeport, Station Fairfield abholen kann.

Wir haben uns dann auch gleich erkannt, wir waren die einzigen coolen Atzen aufm Bahnhof. 😀 … Mit Jon gings dann zu seinem Haus, eine nette Mittelschichtsgegend halt in Bridgeport. Zu Bridgeport ist zu sagen, die Nachbarschaft ist hauptsächlich black oder hispanic, caucasians sind nicht krass, aber deutlich in der Minderheit. Nachdem ich mein Zeug abgeschmissen hatte und erstmal Marlo, Jons Pittbull-Mix, begrüßt habe, der mir zu diesem Zeitpunkt noch sehr verhalten entgegenkam, hat Jon mich in Ermangelung seiner Frau Andrea, die arbeiten war, erstmal in den lokalen Diner mitgenommen und mir zu meiner ersten Portion Burger & frittiertes in den USA verholfen. Sollte nicht die letzte sein ;). Vollgefüllt mit Onionrings sind wir dann nach Hause und ich habe Jon erstmal die britische Serie “IT Crowd” vorgestellt. Daraus hat sich dann ein lustiger IT Crowd/Big Bang Theory entwickelt. Oder besser, eine lustige Nacht, bis ich dann irgendwann todmüde in mein riesiges Bett in ihrem Wohnzimmer gefallen bin.

Samstag, 13 März: Der Tag war recht unspektakulär, aber sehr interessant. Jon hat mich etwas im mittleren Connecticut (der Bundesstaat, in dem Bridgeport liegt) rumgefahren und mir sozusagen seine Wohnumgebung gezeigt. Die Stadt liegt direkt am Atlantik und hat Richtung Landesinneres sehr schöne Wälder. Auch sozial ist’s wirklich interessant: wie schon gesagt, setzt sich die Bevölkerung hier größtenteils aus den “Minderheiten” zusammen, was sicherlich ein Faktor für die politische Liberalität des Nord-Ostens der USA ist. Grundsätzlich war die Umgebung sehr mittelständisch, die für Amerika typische starke Differenz zwischen arm und reich war zwar spürbar, soll aber laut Aussage von Jon deutlich weniger sein als im Süden der USA.

Übrigens war ich mitten in einem Jahrhundertsturm in Connecticut und New Jersey angekommen, was zu Stromausfällen in der ganzen Stadt geführt hat und eine sehr raue See produziert hat. Auch Todesfälle gab es, wie ich durch die lokalen Medien erfahren habe. Da hat sich unter Beweis gestellt, dass die öffentliche Infrastruktur in den USA sehr viel schwächer ausgeprägt ist als in Europa. Die Haushalte waren z.T. noch 3 Tage nach dem Sturm ohne Strom, die Schulen bis Mittwoch geschlossen. Letzteres war übrigens kein Grund zum Jubeln für die Schüler – die haben nämlich für den High School Abschluss eine bestimmte Stundenanzahl vorzuweisen, ansonsten bekommen sie keinen. D.h. im Endeffekt: die Stunden, die ihnen durch sowas fehlen, müssen sie nachholen, im schlimmsten Fall müssen alle eine Jahr länger machen, um die Stunden aufzuholen. Ziemlich Hardcore. Und was ich noch im Radio gehört habe: Detroit (da wo früher Autos gebaut wurden) hat 40 (!!!!) öffentliche Schulen geschlossen. Die Schüler müssen sich auf andere Schulen verteilen, z.T. bis zu 1,5-2h Schulweg in Kauf nehmen.

Am Nachmittag sind wir dann einkaufen gegangen in einem kleinen Supermarkt (der so groß war wie unser Kaufland oder real), und ich habe mich für die Woche eingedeckt, was mir auch einigermaßen billig gelungen ist. Auf meinem Zettel standen schlussendlich ein Haufen toller amerikanischer Spezialitäten wie Captn’ Crunch, Oreos, Bagels und Donuts. Und als Gegenangebot habe ich den Abend für Jon und Andrea gekocht, mein Flammkuchen hat ihnen zwar nicht so geschmeckt (hatte aber auch nur Sour Cream zur Verfügung), dafür hat sich dann aber ein langes Gespräch über das deutsche und amerikanische Rechtssystem mit Andrea entwickelt. Die hat nämlich Jura studiert und konnte mir dementsprechend viel erzählen, auch wenn sie inzwischen in ihrer wahren Berufung, als Krankenschwester, arbeitet.

Sonntag, 14. März: Jon hat den ganzen Morgen schon rumgesungen, ich glaube “Daaaaaytrip” oder sowas, auf jeden Fall hatten wir alle gute Laune, trotz des grausamen Wetters. Die beiden haben mir einigen großen großen Wunsch erfüllt: wir sind nach Montauk gefahren. Wer mich kennt, weiß im Grunde, dass Montauk ein sehr wichtiger, symbolischer Ort für mich ist, einerseits durch den Film “Eternal Sunshine Of The Spotless Mind”, andererseits durch das Buch von Max Frisch. Wir sind ca. 3h hingefahren, haben uns unterwegs die Hamptons angeschaut. Dieser Ort besteht zum größten Teil aus den Sommerresidenzen der Schönen und Reichen aus New York City. Aber war nicht so spannend,
bis auf ein paar architektonische Details.

Als wir dann an der Spitze von Long Island ankamen, in Montauk, war ich ziemlich sprachlos. Wir haben alle ziemlich unseren eigenen Gedanken nachgehangen, so beeindruckend war die vom Sturm aufgewühlte See und der nebeldurchtränkte Strand. Das Gefühl, dort zu sein, ist für mich echt schwer zu beschreiben. Einerseits hats für mich so viel klargestellt. Aber irgendwie hats auch seinen Tribut gefordert.

Montauk war es. Es war definitiv Montauk. Im Frühlingssturm, fast noch Eis, ein riesiger Moloch der Gedanken, der sich im Atlantik aufgetan hat. Wir waren die einzigen am Strand, nicht einmal die Seal-Führung hat sich blicken lassen, um dem Pseudo-Tierschutz-Anspruch der gebildeten Schicht zu befriedigen. Drei Meter hohe Wellen haben in einem Brausen diese ganzen Stimmen, die ständig von ihr und der Sehnsucht flüsterten, übertönt. Kleingemacht. Eigentlich war alles ganz simpel und so vollständig. Es war nicht der vielbeschworene Tag in meinem neuen Leben, aber es war ein Anfang. Der Tag war genau der Tag, an dem wir uns getrennt hatten. Die Stimmen waren noch da, aber die Wellen begleiteten mich vom Strand hinweg. Noch in den Hamptons, noch in New York, noch in Berlin hörte ich das Rauschen, die Stimmen waren noch, aber sie wurden regelmäßig überspült. Es gibt keine vollkommene Verarbeitung. Sie wird Teil meines Lebens bleiben, sich komplexmäßig in meine Handlungen und Gedanken schieben. Aber es ist größer als das und es fließt aristotelisch durch Biegungen und Höhlen. Es wird vom Bergbach zum reißenden Fluß und sie wird letztendlich nur ein Pfahl im Wasser sein, an der eine leuchtende Fahne hängt, die davon zeugt, dass hier angedockt wurde und dass hier der Fluss langsamer war. Ein bisschen warnt sie auch vor den Untiefen, aber die werden weggespült, in andere Gefilde verteilt. Die Untiefen werden irgendwo anders neu entstehen, Schiffe erneut auf Grund laufen. Bis der Fluss schließlich in den Atlantik münden wird und ein bisschen Sand bis nach Montauk gelangt. Denn wie Joel sagte: „Sand is overrated. It’s just tiny, little rocks.“

Ja, so ungefähr war das.

Allzulange sind wir auch gar nicht geblieben. Nachdem wir noch einige tolle Bilder am Bahnhof, einem der Drehorte von “Eternal Sunshine Of The Spotless Mind”, gemacht haben, sind wir wieder nach Hause. Zwischendurch waren wir in den Hamptons noch für eine Stunde im Starbucks, das war echt schön – die Leute sahen alle sehr alteingesessen aus und außer uns schien sich kein Ortsfremder bei dem Wetter hingetraut zu haben. Uns so habe ich meinen Dark Cherry Moccha zwischen all den aufgeklärten Bildungsbürgern von Long Island genossen. Da hat es sich sogar etwas nach zuhause angefühlt.

Montag, 15. März: Mein erster wirklicher Tag in NYC. Und ich hab irgendwie nichts gemacht, außer durch Manhatten und Harlem zu laufen. Gestartet bin ich am Grand Central Terminal, dann im Zick-Zack-Kurs hoch zum Central Park, der im Regen natürlich menschenleer war. An der Westkante des Central Parks hochgelaufen und die Leute beobachtet. Viele Klischees über Manhatten haben sich bestätigt, z.B. der Nebenjob des Hundeausführens mit 5 oder mehr Hunden an der Leine. Der Mensch wollte aber leider sich nicht fotografiert wissen, schade. Und wo wir gerade bei Hunden sind, mir wurde schon am ersten Tag klar: in NYC studieren werde ich vielleicht, aber definitiv nicht hier wohnen. Carlos würde zwischen dem ganzen Beton umkommen, der Central Park ist auch nicht wirklich groß und nirgendwo gibt’s wirklich was anderes Grünes außer diese winzigen Parks. Von der Leine nehmen dürfte ich ihn eh nicht. Darum würde ich mir beizeiten eher etwas im Umland suchen.

Auf jeden Fall bin ich dann an der nordwestlichen Ecke vom Central Park in Harlem rein und damit in das in den Reiseführern verschriene Viertel der African Americans (übrigens, von Jon gelernt: NIE wie der deutsche ARD-Korrespondent bei der Obama-Wahl von “colored people” sprechen. Dafür solls angeblich derbe auf die Schnauze geben). Wie alle Klischees wars aber nur halb so wild, ich wurde schon kritisch beäugt, hab mich aber schnell mit nem coolen Typen angefreundet, der da rumsaß und in sein Blackbook gekritztelt hat. Der hat mich 2-3 Straßenzüge begleitet und irgendwie schien das magisch zu wirken, danach wurde ich deutlich unkritischer beäugt. Aber vielleicht bin ich auch nur in ein anderes Viertel gelangt, das ändert sich nämlich in den USA anscheinend sehr schnell. So quasi wenn man über die Straße geht kann man von “ganz reich” in “abgefuckte Junkiegegend” kommen. Auf jeden Fall war es interessant, verschiedene Einblicke ins amerikanische Leben zu bekommen, Klischees bestätigt, relativiert oder über den Haufen geworfen zu wissen und tolle Pizza zu essen. Am frühen Abend bin ich dann erst zur Columbia University und dann zur NYU Law School gegangen und hatte da jeweils Gespräche mit Profs, die recht interessant verlaufen sind. Auf jeden Fall sind beide Unis für mich vorstellbar für ein Auslandssemester und bei einer hätte ich auch ein Nebenjob am Lehrstuhl.

Danach gings mit letzten Kräften nach Hause, ich bin knapp acht Stunden durch die Gegend gelaufen und habe nur sehr wenige Pausen gemacht. Meine Füße haben ordentlich Hornhaut bekommen.

Dienstag, 16. März: Den Morgen haben Jon und ich mit Marlo verbracht, in einem netten Wäldchen wo der Hund auch mal ohne Leine laufen kann. Die Leinenpflicht wird in den USA deutlich strenger gehandhabt als in Deutschland, was für die Hunde sehr schade ist. Jon meinte, dass sehr viele Afro-Amerikaner vor Hunden Angst hätten, weil zur Zeit der Versklavung halt Wachhunde eingesetzt wurden und es im kollektiven Gedächtnis sich so wohl eingebrannt hätte. Keine Ahnung, inwieweit seine These stimmt, auf jeden Fall ein schöner Morgen am ersten wirklich sonnigen Tag auf meiner Reise.

Dann bin ich mit Jon Richtung Norden, nach New Haven gefahren. New Haven gehört zur Hälfte der Universität, die sie beherbergt: Yale University. Nach einer netten Pizza sind wir auf dem Universitätsgelände rumgelaufen, sind in Klamotten- und Bücherläden rein und haben einiges mitgenommen. Ich hatte dann noch eine Verabredung zum Tee mit einem Professor von Yale, zu dem sich auch noch einer von Harvard gesellt hat. Sehr nett! Die Profs sind viel viel studentennäher als unsere Akademiker, vielleicht auch, weil sie einen gewissen Dienstleistungsstandard gewohnt sind.

Ich habe mich dann auch etwas in People-Fotografie geübt und mir so ein paar der vom Spring Break daheimgebliebenen Studenten vorgenommen. Dann sind wir Abends nachhause gefahren.

Mittwoch, 17. März: St. Patricks Day! An diesem Tag war echt jeder irisch. Als ich morgens nach NYC gefahren bin, hatte ich das Gefühl, dass wirklich alle außer mir in grün gekleidet waren. Und in New York waren dann auf einmal alle Bars irische Pubs, selbst da, wo zwei Tage vorher noch eine normale amerika
nische Bar war. Ich hab mich mit einer Freundin aus Deutschland, die zufällig zum selben Zeitpunkt in NYC war wie ich, getroffen und nachdem wir uns die Parade angeschaut haben, sind wir noch ins Metropolitan. Also dieses Kunst-Museum, aber da nichts mit Street-Art zu sehen war, wars nicht so spannend für mich.

Mit Street-Art ist es übrigens nicht allzuweit her dort. Selbst in Harlem oder Brooklyn sind alle Graffitis verblasst, die letzten scheinen Mitte der 90er Jahre gemacht worden zu sein. Dementsprechend ist der Stil auch total Oldschool und ich hatte das Gefühl, dass sich da nichts mehr entwickelt hat. In den Zügen war eh alles sauber, nirgendwo was getaggt, bemalte Trains hab ich eh nicht gesehen. Traurig eigentlich, in der Thematik hatte ich mir tatsächlich mehr erhofft von New York.

Die Parade vom St. Patricks Day war zwar recht nett besucht, aber an sich nicht so spannend: Es liefen High-School, Marching Band, Police, Firefighters … und dann das ganze von vorne. Mehrere Stunden lang. Ich konnte drauf verzichten, habs mir an zwei verschiedenen Stellen angeschaut, aber nicht wirklich was für mich draus ziehen  können. Dafür waren die Leute alle recht fröhlich. Übrigens, netter Fakt nebenbei: laut Jon sind 90% der Cops in New York aus der irischen Community.

Bonnie, besagte Freundin aus Deutschland, und ich sind dann zu einer Bekannten von ihr an eine Kunstuniversität gefahren. Dort haben wir sie kurz in ihrem Atelier besucht und sind dann mit ein paar ihrer Freunde in das Studentenviertel von Manhatten gefahren. Da haben wir dann erstmal bis um 24 Uhr auf der Straße gesessen und geredet und die haben getrunken und ich musste den Alkohol verstecken (der einziger, der über 21 war, ihr wisst schon, USA und Alkohol und Volljährigkeit). Aber war echt lustig, viele seltsame Gestalten getroffen, u.a. die obligatorischen Jesus-Fanatiker.

Danach sind wir in einen szenigen Reggae-Club gegangen und dann kam einer der großen Schocks: New York ist definitiv keine Feierstadt. Zugegebenermaßen, es war Mittwoch, aber: am St. Patricks Day nach 1 Uhr nur noch 10 Leute auf der Tanzfläche in einem angesagten Club?! Sorry, aber das ist arm. Also dieser Club war ok, die Musik super und durch eingebaute Live-Sachen sehr intensiv. Aber eine richtige Party war es in meinen Augen nicht, dafür bin ich zu sehr Berliner Standards gewöhnt. Also sind wir um 4 Uhr morgens rüber nach Brooklyn und haben uns dort aufs Ohr gehauen.

Donnerstag, 18. März: Klischee: Frühstück auf dem Dach. Das ist glaube ich ein Bild, das viele von Brooklyn vor Augen haben. Und ich kam tatsächlich in den Genuss. Jasmins Wohnung war nämlich ganz oben, und so konnten wir mit unserem Frühstück uns mitten in die Sonne aufs Dach hauen und hatten einen netten Rundumblick übers Viertel. Jasmin hat mir dann auch einige erzählt über die umliegenden Straßenzüge und wie einige Probleme, die wir auch aus Berlin kennen, sich hier auswirken. Denn auch in ihrem Viertel gab es eine Veränderung der Mieterstruktur, Gentrification ist da ein ganz großes Problem und ansonsten gibt es wohl noch zwischen den größtenteils afro-amerikanischen und asiatischen Mietern und den hauptsächlich jüdischen Hausbesitzern ethnisch geprägte Konflikte.

Nach dem Frühstück gings für mich zurück nach Bridgeport. Da haben wir dann alles vorbereitet für ein leckeres, amerikanisches BBQ, was zu einem wirklich wunderschönen Abend in Jon und Andreas Garten geführt hat, mit leckeren Burgern und sowas. Der Hund hat uns die ganze Zeit umspielt, wir haben viel über Politik und die Welt geredet und ich habe meine nächsten Tage geplant.

Freitag, Samstag und Sonntag (19., 20., 21.): Die letzten Tage möchte ich nur kurz zusammenfassen, da nicht mehr viel passiert ist. Freitag habe ich meine amerikanische Literatur gelesen, die am Dienstag in New Haven gekauft hatte und habe die Sonne genossen und etwas im Garten geholfen. Mal so ein richtiger Urlaubstag.

Samstag habe ich dann den Tag mit Leuten von meiner Familie gebracht, die Kinder meines Patenonkels, im Alter von 30 bis 40. Sehr nett, alle, aber eine gänzlich andere Seite von Amerikas Gesellschaft, als ich sie bei Jon oder Jasmin kennengelernt habe. Meine Familie gehört sozial gesehen wohl zur gehobenen Mittelschicht, hat einen Gottesbezug (Beten vor dem Essen und so) und alles ist immer ganz “neat”, außerdem wohnen sie mehr landeinwärts in Connecticut in einer Kleinstadt bzw. einem Dorf. Das war total in Ordnung und mir hat der Tag viel Spaß gemacht, aber es war ein sehr unterschiedliches Bild als das, was ich bisher mitbekommen habe. Insofern schon interessant.

Am Sonntag dann der große Abschied mir viel Umarmungen und viele Streicheleinheiten für Marlo. Nach der langen Hinfahrt kannte ich mich ja nun zu genüge im Metro-System von New York aus und habe nicht mehr so lange gebraucht und hatte nochmal Zeit Manhatten und Brooklyn durch die Subway-Scheiben zu begutachten. An der AirTrain zum Flughafen habe ich dann ungeplanter Weise noch einen Bekannten aus Berlin getroffen, der den gleichen Flug genommen hat. Komischer Zufall, aber das hat natürlich das Warten ungemein verkürzt. Auf dem Rückflug habe ich mich dann noch mit einer netten Australierin unterhalten, die neben mir saß und so verging auch der Flug wie im … ähh … Fluge ;). Überglückliche habe ich dann in Tegel Carlos in den Arm nehmen können, da Maxi so lieb war und mich dort abgeholt hat.

Mit dem dicken Jetlag, der nach einem halben Tag kam, bin ich also im sonnigen Berlin angekommen. Und hier endet auch mein Bericht (:

 

Bald gehts los! … Eingecheckt in den Flug habe ich schon, die Sachen sind so gut wie fertig gepackt (ich hab einfach nicht so viel mitgenommen) und alle Reisetipps sind nochmal durchgelesen.

9 Tage New York und Connecticut. Ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Es ist mein erster längerer Urlaub seit Jahren. Mehr als 3-4 Tage Winterurlaub oder eine Woche Rostock, aus der ein worst-case-Szenario wurde (und nur 3 Tage, wegen Abbruch) waren nicht drin in den letzten Jahren. Und jetzt ich, allein, über den großen Teich. An der NYU Termine wahrnehmen, in Bridgeport leben, durch NYC tingeln und, ziemlich wichtig, zu einem bedeutenden Datum, ohne dass ich es wollte, in Montauk sein.

Was habe ich dabei? Meinen Samsung NC-20 werde ich benutzen, um Abends Rundmails zu schicken und vielleicht etwas zu bloggen. Und ansonsten wegzubleiben vom IT-Kram, ich hab ja Urlaub. Außerdem die Canon 1000D von meinem kleinen Bruder, die entsprechende Impressionen einfangen soll. Und ein Haufen Bücher, z.T. Jura-Literatur, durch die ich mich wohl auch durchquälen muss. Wen ich natürlich zuhause lassen muss: meinen Hund, Carlos. So lange waren wir in unseren 4 Jahren gemeinsamer Geschichte noch nie getrennt. Hardcore, ey. Aber es wird gut für ihn gesorgt, hoff ich mal.

Jetzt noch ein paar Staffeln Big Bang Theory, um dann auf dem Flug entspannt schlafen zu können. Kinder, was bin ich aufgeregt! (: