In der Jungle World ist gerade ein Artikel erschienen, der sich so richtig über die frechen Säcke auskotzt, die es wagen, keine Drogen zu nehmen. So Leute wie ich. Ich vermeide es seit meiner Pubertät Alkohol zu trinken oder Sachen, die auch im bürgerlichen Kontext unter den Drogenbegriff fallen, zu konsumieren. Keine Erfahrungen mit Gras, Koks oder Bier – dafür habe ich einen exzessiven Club Mate- und Afri-Cola-Konsum.

Wenn mich Leute danach fragen, warum ich das tue, sage ich meistens: ich hab kein Bedürfnis dazu. Es reizt mich nicht. Aber ich bin auch kein Dogmatiker: wenn ich irgendwann Lust darauf verspüren sollte, dann werde ich auch einen Drink trinken oder einen Joint rauchen. Warum auch nicht? Meine Begründung ist nicht dogmatisch, nicht politisch. Ich bin kein Straight-Edgler, für den “ein richtiger Mann” nur jemand ist, der kein Bier trinkt. Abgesehen von dem verqueren Sexismus kann jeder im Konsum tun und lassen was er will. Natürlich mach ich mir Sorgen um Freunde, die auf einmal abstürzen. Aber ob die nun von Drogengebrauch oder von psychischen Alltagsproblemen des Beziehungslebens abstürzen ist mir gleich.

Die Argumente, die Engelhardt in Abgrenzung zu bewusster Abstinenz bringt, sind schwach.

Die Basis einer solchen Entscheidung sollte aber schon die sein, dass man sich diesen Erfahrungen nicht von vorneherein verschlossen hat. Auf welcher Basis sollte eine solche Entscheidung sonst gefällt werden?

Ganz einfach: auf der Basis der Erfahrungen anderer. Ich kann mir durch Erlebnisberichte, durch Bücher und durch Filme eine ganze Palette unterschiedlicher Interpretationen von Drogenerfahrungen reinziehen. Das meine vielleicht ein Stück anders ausfällt, ist da irrelevant. Ein bestimmter Kernbereich bleibt gleich und dieser Kernbereich der geteilten Erfahrungen reizt mich nicht genug, um das Bedürfnis zu verspüren selbst eine solche Erfahrung in meiner individuellen Ausprägung zu haben. Ähnlich ist es bei mir mit Motorradfahren. Einige Leute in meiner Umgebung fahren die Dinger und erzählen mir, wie sie das empfinden. Ich kenn auch die mediale Rezeption. Aber bisher hat’s bei mir nicht gereicht, um ein gesteigertes Interesse hervorzurufen. Vielleicht werde ich irgendwann Lust darauf bekommen. Dann mach ich das sicher auch. Bei Drogen ist es ähnlich.

Im politischen Bereich ist das für mich differenzierter. Feiern, Solipartys, kein Thema. Aber wenn’s um Aktionen geht: klaren Kopf behalten. Auf einer Demonstration hat Alkohol nichts zu suchen. Solche Situationen sind immer repressionsgefährdet und ein klarer Kopf schützt einen selber vor unbedachten Handlungen und andere vor ihren Auswirkungen. Was der Autor im Artikel ansonsten beschreibt, ist eine Überzeichnung der Zustände. Natürlich gibt es Leute, die Drogenverzicht zur einzigen Lebensanleitung erklären. Die anderen das vorschreiben wollen. Das ist ohne Frage uncool und kein bisschen emanzipatorisch. Man kann gute  Gründe haben, warum man das tut, vielleicht kann man damit Menschen überzeugen. Man kann aber auch keine Gründe haben, oder sie nicht mitteilen wollen.

Immer Herr seiner selbst zu sein, rauchfrei, nüchtern und zurechnungsfähig, das ist die gesellschaftliche Erwartung, der man gerecht werden soll, auch wenn die Doppelmoral dieser Erwartung offensichtlich ist.

Mir kann doch egal sein, was die gesellschaftliche Erwartung ist. Man wird nicht umhinkommen, bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Bildung ist auch eine gesellschaftliche Erwartung – und trotzdem halte ich es für sehr sinnvoll sich umfassend zu bilden, gerade im politischen Kontext. Diese “Anti-aus-Prinzip”-Haltung ist irgendein unpolitischer Mist, den der Autor da reproduziert und damit seinen eigenen Argumenten zuwiderläuft.

Darum ist es auch ganz angenehm, einen Gegenartikel im selben Medium zu lesen.

Wer gerne Fasching im eigenen Kopf feiern oder mal Urlaub von sich selbst machen will, dem wünsche ich viel Spaß. Die Entscheidung, einen drogenfreien Lebensstil zu führen, ist, anders als beim Veganismus […], eine Geschmacksfrage und keine politische Entscheidung. Der individuelle Konsum oder Verzicht ist weder subversiv noch reaktionär, nur Begründungen für die jeweilige Entscheidung können es sein.

[Bildquelle: stillabreit | Lizenz:  CC BY-SA 2.0]

 

2 Responses to Konsumrausch – Rauschmittelkonsum?

  1. Nick C. sagt:

    me también.

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