Montag, Semesterferien. Kann man ja feiern gehen. Auf Facebook kam eine Veranstaltungseinladung, auf der Spreeterrasse von der Maria sei OpenAir. Ein bisschen kühl ist es ja schon noch, aber nun gut, die Sonne scheint und man hat ja im Bedarfsfall dicke Pullis bei. In der Veranstaltungseinladung (vom Partyveranstalteraccount “Goldenes Zeitalter” gepostet) war von freiem Eintritt die Rede.

EINTRITT FREI! bis 20 Uhr

DJ Euro

danach nen 5er

Geburtstagskinder haben natürlich wieder freien Eintritt!

 

Und nun kommt man da an, die Melange aus Hipstern, Yuppie-Studenten und Schulkindern kennt man ja schon. Kann man drüber abkotzen, aber man lässt es lieber, weil sonst bekommt man ja nie mehr gute Laune. Wir also auf den Eingang zu, steht da Einlasspersonal und eine dicke Schlange. Nehmen die also doch Geld. Hatte keiner von uns Bock drauf, draußen hörte man keine Musik mehr, also haben wir uns musiklos zwischen die Horden gesetzt und ein bisschen gechillt. Aber angefressen hat mich das schon. Da steht ganz klar “Eintritt” frei. WTF? Dann will ich da auch einfach reingehen können. Und jetzt sagte mir auch noch eine Bekannte, dass um 18 Uhr schon 5€ gekostet hat. Wer weiß, vielleicht auch schon um 16 Uhr, als wir angekommen sind, wir haben ja gar nicht nachgefragt. Aber auf jeden Fall nix mit freier Eintritt bis 20 Uhr. Echt zum kotzen.

Und was dahintersteht? Hier wird mit dem “kostenlos-und-billig-Party-machen-Image” von Berlin gespielt und das echt schamlos bis zur Lüge ausgenutzt. Das Image stimmt ja eh kaum noch, aber das so zu bewerben ist doch echt dreist. Aus allem und alles Geld rauszuschlagen, einfach mit den Massen zu rechnen und hoffen, dass die trotzdem Geld abdrücken, auch wenn die sich auf eine kostenlose Party gefreut haben. Wer kein Geld hat und sich genau deswegen dahin aufn Weg gemacht hat, wird rausselektiert. Wenn das euer Frühlingserwachen ist, dann scheiß ich drauf, haut ab, zurück in den Winter.

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(Foto von sEbo)

Wer gestern auf der Hauptstraße, einer großen langen Straße zwischen Ostkreuz und Köpenick unterwegs war, traute seinen Augen kaum. Wo sonst nur müde Kraftwerksmitarbeiter ihrer Wege gehen und die Straße ansonsten komplett leer ist, liefen unzählige Menschen. Aber als Berliner zwischen 15 und 30 mit Facebook-Zugang hat man eh mitbekommen worum es geht: 9000 Einladungen waren draußen für das “F-Hain <3 dich”-OpenAir. Wo man sich schon in Szene-Kanälen auf ein interessantes LineUp gefreut hat, hat sich die große Masse erst recht für Umsonst & Draußen begeistern können.

Ich bin so gegen 1 Uhr hingefahren und fand die Veranstaltung symptomatisch für diese ganze Facebook-Problematik. Von Atzenpartyprolls bis szeneliebenden Minderjährigen war alles dabei, und zwar in einer Menge, die definitiv nicht mehr gesund war. Auf dem Gelände waren so um die 1000-2000 Leute, und die gleiche Menge nochmal drumherum bzw. auf dem Weg dahin. War sicher am frühen Abend anders, und bestimmt auch den Sonntag über. Aber als wir angekommen sind war es zuviel. Die Grundstimmung war recht aggressiv, Gerüchte über Neonazigruppen gingen rum und auch eine gewisse Verantwortungslosigkeit blieb bei der Masse an Leuten nicht aus. Kippen ab in den Rasen, ob die Location abfackelt ist ja bekannterweise egal. Ich habe mich auch nicht wirklich sicher gefühlt, bei der Menge an Leuten hätte der Veranstalter Kontakt zum Rettungsdienst aufnehmen müssen, die dann in der Nähe hätten stehen müssen. Im allgemeinen bin ich überrascht, dass die Polizei die ganze Sache nicht zu dem Zeitpunkt aufgelöst hat, vor Ort war sie ja – ich glaube kaum, dass die normalen Veranstaltungsauflagen eingehalten wurden. Grundsätzlich positiv zu bewerten, dass sich der Staat nicht einmischt (auch wenn viele Zivilcops auf dem Gelände waren), aber hier doch sehr seltsam. Hmm, wer weiß, vielleicht hatten die Veranstalter auch Security auf dem Gelände, die aber einfach nicht zu sehen waren?

Was mir auch aufgestoßen ist: eine Taxischlange vor dem Gelände, wie man sie sonst vor dem Weekend oder Berghain sieht. Ey, auf nem Rave? … Sorry, aber dit sind nicht meine Leute. Genauso diesen Shuttle-Bus-Service, den ich irgendwo gesehen habe. Absolut freakig. Letzteres wurde bestimmt schön durch die 4€-ClubMate finanziert. Auch das: absolut freakig.

Wofür man eine Lanze brechen muss ist das angenehme LineUp und der fette Sound. Das wars aber auch. Ansonsten gabs halt so typische OpenAir-Probleme: überall Müll und Flaschen (bei der Größe dann auch ein dickes Problem!), wenig Licht (Deko war Nähe Tanzfläche ganz nett, aber man hätte gerade aufm Weg mehr machen können).

Kommen wir mal zu einer Analyse/Kritik:

  • Fakt ist, die Rummelsburger Gegend bietet viele geile Locations, die in letzter Zeit immer mehr genutzt werden, von diversen Veranstaltern und nicht nur für Raves. Aber die Gegend wird sich wieder schnell verbrennen, man liest ja schon von Vergleichen zwischen dem “Revaler Technostrich” und dem “Rummelsburger Technostrich”.
  • Die Veranstaltungspopularität wurde entweder schlecht im Auge behalten oder die Veranstalter haben drauf geschissen. Es waren einfach zuviele Leute.
  • Ja, Raves sind Mainstream. Nicht erst seit gestern, vielleicht nicht mal seit Kalkbrenner. Aber das OpenAir hatte eine symptomatische Qualität. Ich kann mich nur wiederholen und die Forderungen aus dem Eisfabrikartikel wiederholen: abschotten. Facebook rauslassen. Sich mit weniger Leuten freuen. Prolls, Yuppies … sorry, aber das hat nichts mit dem Anspruch von Raves zu tun. Und ja, es gibt einen, auch wenn er für viele wahrscheinlich nur verwaschen wahrnehmbar ist.
  • Und wenns dann doch ausm Ruder läuft: reagieren. Arztstation aufbauen, Kontakt zum Rettungsdienst aufnehmen. Will nicht wissen, was passiert wäre, wenn der Rave in der Hitze der letzten Woche veranstaltet worden wäre. Und wieviel Kids mit einer unbehandelten Alkoholvergiftung gerade zuhause liegen.
  • Genauso: Security – wenn ich ein solches Publikum habe, muss ich Freunde bitten, als Ansprechpartner für alkohlbedingte Übergriffe zu fungieren, Leute, die auch mal dazwischen gehen können. Und auch welche für sexistische Übergriffe, das wirds wohl en Masse gegeben haben. Man muss nicht, wie das andere OpenAir um die Ecke sich komplett abschotten und Taschenkontrollen haben, aber einfach mal bei so einer Masse 50 Leute aufm Gelände haben, die auch klar erkennbar als Ansprechpartner zu Verfügung stehen. Sonst liefert man den Cops nur Munition, und auch der Justiz, wenn was passiert. So könnte man wenigstens sagen: man hat sich bemüht.
  • Interessant sind die Reaktionen im Netz. Die Facebook-Veranstaltung wird größtenteils wohlwollend kommentiert mit nur vereinzelt kritischen Stimmen. Sehr viele finden es einfach nur “geil” und “super”. In den geschlossenen Kanälen ist schon recht früh, so ab 23 Uhr, Kritik zu finden, die sich nur ausweitet und ganz allgemeine Ablehnung erkennen lässt.

Insgesamt hatte ich wohl mit dem Eisfabrik-Artikel recht. Facebook ist ein No-Go. Viel zu öffentlich, viel zu unkontrollierbar – aber so sieht dieser Sommer aus. Aber das war nicht nur Facebook, wenn man mal die Veranstaltung googelt kommt da noch viel mehr ans Tageslicht. War wohl bei vielen Portalen eingetragen, als Veranstalter gibt sich Trendwende Berlin und Simplyme Original.

Impressionen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=j1EX7WqmlqA]
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=bds-LWDJIfM]

Ich werde auch mal die Medienentwicklung beachten, Polizeimeldungen sind noch nicht raus und in den Tageszeitungen habe ich auch noch nichts gefunden, aber bestimmt kommt da mit der Montagsausgabe einiges rum. Dazu noch ein seperater Post.

Es war noch nicht DER große Knall, mal wieder scheint’s gerade wieder so die Kurve bekommen zu haben. Aber trotzdem eine erneute Mahnung: es muss was passieren. Lasst uns Gegenstrategien entwickeln. Wieder abschotten, alles kleiner halten. Los. Jetzt. Hier!

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