„Warum hast du eigentlich einen bekannten Neonazi bei dir in der Freundesliste?“ „Ach, den kenn ich aus Forum XY, der ist total nett. Neonazi, sagst du, ist der?“ – Ein grandioser Einstieg für einen Streit, der so eine sozial fragile Rollenspielgruppe an den Rand der Spaltung bzw. ihrer Existenz bringen kann. Mit kaum einem Thema habe ich mich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Rollenspielen mehr auseinandergesetzt, als mit der Rechtsoffenheit von Mitspieler_innen.

Machen wir uns nicht vor: nicht nur stellen Rollenspieler_innen einen Querschnitt durch die die deutsche Mehrheitsgesellschaft dar, mit ihren ganzen rassistischen Strukturen, Privilegienverteilung und was man nicht gerade an den Universitäten unter den Seminarennamen „Critical …“ verarbeitet. Auch bietet gerade der Fantasy/Mittelalter-Bezugsrahmen eine willkommene Anlaufstelle für Menschen, die ihre völkischen, rassistischen und neonazistischen Ansichten kritikfrei ausleben möchten. Viele Symboliken, die ansonsten als Identifizierungsmerkmale der extremen Rechten gelten, werden von Spieler_innen unreflektiert hingenommen oder selbst getragen – man gehe mal auf einen LARP und stelle die Forderung in den Raum, die Thorshämmer vom Hals zu nehmen. Ein Großteil der Beteiligten wird sich angesprochen fühlen und kaum einer wird Verständnis dafür haben. Ich habe mich aus diesen Gründen vor einiger Zeit von LARPs zurückgezogen.

Mir ist immer mehr aufgefallen, wie unreflektiert mit dem eigenen Spiel umgegangen wurde (die Wolfsangel wäre nur ein Symbol ihres Clans der Wölfe … ), wie schwer eindeutige Positionierungen fallen, wie in feinster Extremismustheorie Links und Rechts in einen Topf geworfen werden und wie sehr Beteiligten rassistisches Verhalten („Schokoelfe“ als Spitzname für eine dunkelhäutige Mitspielerin?) für witzig oder den Normalzustand hielten. Musik der extremen Rechten oder aus dem Grauzonebereich, vor allem NSBM, Neofolk und Liedermacher, wurden bestenfalls unkritisch in das eigene Verständnis der Subkultur eingebaut, die Kritik daran mit dem Verweis auf die eigene „unpolitische“ Haltung abgewiesen.

Gleichzeitig muss ich sagen: durch Rollenspiel habe ich auch einen sehr diversifizierten Freundeskreis gehabt: Menschen mit persischem, nigerianischen und osteuropäischen Einwanderungshintergrund, bekennnende Juden und Protestanten. Es ist faszinierend, wie eine Szene, die gerade im LARP-Bereich so von Rechten durchsetzt ist, gleichzeitig so divers sein kann. (Übrigens habe ich das Gefühl, dass Cyberpunk von Rechtsoffenheit insgesamt weniger betroffen ist – bei Shadowrun & Co. sind mir bisher die cooleren Leute über den Weg gelaufen)

Beim Pen&Paper sieht es ähnlich aus, eine Gruppe zu finden, bei der sich alle Teilnehmer_innen kritisch mit ihrer gesellschaftlichen Position und ihrem Bekanntenkreis auseinandersetzen, ist zumindest mir ein Ding der Unmöglichkeit. Die Szene ist zu klein, die strukturellen Verbindungen gerade auch zu rechtsoffenen Subkulturen (Gothic sei hier vor allem gennant) schlagen immer wieder in das Gewicht. Die Politik-Sektionen von einschlägigen Szeneforen lassen einem das Schaudern über den Rücken laufen, und man findet auch in kleinen Communities vom Burschenschaftler über NSBM’ler und Neofolker zum Otto-Normal-Sarrazinisten alle Formen von rechtem Gedankengut. Ich habe auch richtig Angst über das Internet nach neuen Spieler_innen zu suchen, weil die Gefahr mir recht hoch erscheint, solche Idioten in meine Wohnung zu lassen.

Und überhaupt, was ist eigentlich mein Problem? Sollen die doch alle Nazis sein, wir wollen ja nur spielen … – Genau da liegt aber auch der Punkt für mich: Rollenspiel ist für mich eine Form der Entspannung, etwas, wo ich stundenlang den Alltagsstress abschütteln und mit Freunden in einem wunderbaren, spannungsgeladenen Setting abtauchen kann. Das kann ich nicht, wenn ich mir darüber Gedanken machen muss, ob jemand gerade seinen Charakter ausspielt (der ja durchaus ein rassistisches, sexistisches Arschloch sein kann) oder das Spiel für die Projektion seiner eigenen verkorksten Persönlichkeit nutzt und ich ihm hier eine Plattform für seine geistige Haltung gebe. Ich möchte auch nicht spielen, wenn ich die ganze Zeit daran denken muss, dass Mitspieler_innen mit irgendwelchen Neonazis rumhängt und man eigentlich, statt lächelnd gerade den Run gegen Saeder-Krupp miteinander durchzuziehen, ein klärendes Gespräch über die Gefahren des Umfelds führen müsste. Sowas belastet meine Entspannung und sowas belastet meine Person und die Freundschaft zu den anderen Beteiligten. Das will ich nicht in meinem Spiel haben. Shadowrun, DSA, LARP – das sind Spiele. Rassismus, Sexismus und Unterdrückung sind es nicht. Das sind bitterernste Machtverhältnisse. Und die haben in meinem Rollenspiel nichts zu suchen.

Aber was nun? Ich habe für mich bisher die Entscheidung getroffen, nachdem es mir in meiner aktiven LARP- und DSA-Zeit zu unangenehm wurde, ständig mit irgendwelchen Nazis auf (Haft-)Urlaub zusammenzuspielen, mich auf Shadowrun in einer kleinen Gruppe zu beschränken – obwohl ich durchaus das Bedürfnis habe, wieder aktiver zu spielen oder auch mal zum LARP wieder zu erscheinen. Aber einerseits zeigen sich auch in meiner kleinen Gruppe spaltende Konfliktlinien an dem Thema entlang und andererseits wüsste ich auch gar nicht, wo ich nach entsprechenden Spieler_innen und Veranstaltungen suchen sollte – eine klare politische Positionierung ist schlichtweg kein relevantes Kriterium in der Rollenspielszene, nach der man Cons usw. sortieren kann. Ich bin also so klug wie vorher, nur dass ich jetzt mal einige Gedanken verschriftlicht habe.

Darauf möchte ich übrigens besonders hinweisen: das ist kein Artikel eines abgeschlossenes Gedankenprozesses, sondern eine mitternächtliche Niederschreibung von Erfahrungen, gefühlten Problematiken und tatsächlichen Enttäuschungen. Viele Enden mögen lose sein, vieles mag der Ergänzung bedürfen, manche Argumentationslinien mögen gerade denjenigen Leser_innen, die sich nicht regelmäßig an politischen Diskussionen beteiligen, zu schwach oder nicht logisch erscheinen, weil ich viele Sachen als gegeben voraussetze. Umso mehr bin ich auf Kommentare und Nachrichten gespannt, weil das Thema mich schon eine ganze Weile beschäftigt und ich mich sehr über etwas Richtung und natürlich auch Support im Sinne von „Hey, du bist nicht der Einzige, der so denkt, wahrnimmt, etc.“ freue.

 

 

Jeah, da hat sich jemand die Mühe gemacht und die ganzen Werke von H.P. Lovecraft, die es im Gutenberg-Projekt gibt, ins EPUB-Format zu bringen, quasi das Standardformat für eReader wie die Sony PRS-Reihe oder den Kindle von Amazon.

Was genau das Buch beinhaltet?

The Complete Works of H.P. Lovecraft contains all the original stories which Lovecraft wrote as an adult. It begins in 1917 with “The Tomb” and ends in 1935 with his last original work “The Haunter of the Dark.” The book is ordered chronologically by the date the story was written. Because Lovecraft was a terrible businessman and left no heirs to his intellectual property, all of his works are already in the public domain. I did not include collaborations or revisions because some of those works may still be under the co-author’s copyright.

Wer sich da noch nicht reingelesen hat: einer der intensivsten Horror- und Schauergeschichtenautoren, die ich bisher kennengelernt habe. Auf dem Setting, dass seine Storys entworfen haben, basieren heute RPGs, Filme und PC-Spiele. Reinlesen lohnt sich also.

[via LoadBlog]

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Endlich ist es fertig.  Also zumindest die Beta! Immer wieder wurde der Releasetermin verschoben und die Beteiligten hatten “32h-Tage”. Aber jetzt ist Misanthropy kostenlos herunterladbar. Zwar immer noch in der Beta, aber durchaus im spielbaren Zustand und bereit, getesten zu werden.

Infos zum Spiel:

Über Misanthropy
Wir schreiben das Jahr 2246. Die Welt ist am Ende. Konzerne bilden in größten Teilen der Welt die Regierung und die Bewohner des Planeten Erde werden nicht nur mehr in arm und reich sondern auch in Mutant und „Mensch“ unterteilt. Zu Leben heißt zu Überleben. Drogen, Waffen und Cyberware gehören dazu wie die allmorgendliche Dusche, die schon seit Jahren zum Luxus zählt. Aus der Asche der vergangenen Kriege entwickelte sich eine Welt, der man zu entfliehen versucht, wann immer man die Gelegenheit dazu bekommt. Sei ein Teil dieser Welt.

Was ist Misanthropy?
Misanthropy ist ein Dark Future-Rollenspielsystem in einer kalten, tödlichen Welt. Wer einen Helden spielen will, ist hier sicher fehl am Platz – alle Anderen sollten einmal ein Auge riskieren. Auf Basis der SyntheSys-Regeln ist dieses System ein temporeicher Kampf ums Leben und Überleben. Darwin hatte Recht!

Nicht ohne Stolz will ich ja darauf hinweisen, dass mein Name bei den Danksagungen auf den ersten Seiten steht. Ich hab gerne geholfen, dafür hat das Team großartige Arbeit geleistet.

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