Rezension von meinem ViaJura-Blog, die ich hierher verlagert habe.

Tobias Rapp arbeitet meines Wissens nach für den SPIEGEL als Pop-Redakteur, auf sein Buch “Lost and Sound” bin ich aber erst durch einen Artikel der Jungle World aufmerksam geworden, die einen Ausschnitt des Buches abgedruckt hat. Und darauf wiederum bin ich erst durch eine Verlinkung bei medienlese aufmerksam geworden.

Also habe ich das Buch bei Amazon vorbestellt und es kam dann auch nach ein paar Tage und ich war schlichtweg begeistert. Ich habe mich sofort in das Buch reinlesen können und hatte dabei irgendwie auch eine Art Selbstfindungserfahrung. Ich bin vor einem dreiviertel Jahr nach Friedrichshain gezogen, und das Buch behandelt im Großen und Ganzen die neuentstandene Technoszene in Friedrichshain/Kreuzberg nach dem Jahrtausendwechsel.

Dabei bleibt Rapp nicht musikalisch. Nein, eigentlich ist er nirgendwo so richtig musikalisch, die Musik wird nur in kleinen geschichtlichen Einschüben behandelt und stellt vielmehr den Rahmen dar. Techno wird gehört, das ist klar. Es gibt progressive Elemente, das ist auch klar. Techno ist nicht der Techno der 90er Jahre. Logo. Was eigentlich entscheidend ist: Wie geht Berlin mit Techno um. Und dabei kreuzt er in Form eines “typischen” Wochenablaufs (beginnend am Mittwoch) auf der Spree der Szene hin und her. Von den Touristen, die nicht nur die Clubs, sondern auch diverse andere Projekte/Unternehmen am Leben halten. Zu den Berlinern, die feiern, aber (oder auch “und nur”) politisch werden, sobald ihr Kiez, ihre Freunde, ihre Clubs betroffen sind. Eine grandiose Momentaufnahme des alternativen Bezirks, eine kluge und kritische Betrachtung des ansässigen Media-Spree-Konflikts, das sind Bestandteile, die dieses Buch zu mehr als nur einem Szenepolaroid machen.

Rapp schafft es, den Blick über diverse Telleränder hinaus gleiten zu lassen, erklärt fachlich und spannend beschrieben, wie sich die Subkultur zur Regeneration und Selbstfindung in den Untergrund zurückzieht und wie dieser Teil von Berlin, wie mein Zuhause tickt. Dabei so spannend, das man erst weglegen kann wenn a) das Buch zu Ende gelesen ist oder b) man Samstag Nacht ab 00.00 Uhr sich auf den Weg machen muss. Angeheizt durch die Beschreibungen und die Mystifizierung, die Rapp den einzelnen Locations gibt.

Pflicht für jeden Friedrichshainer/Kreuzberger. Ebenso Pflicht für jeden, der in Berlin feiern geht. Und Empfehlung, für alle, die nicht wissen, wie Berlin geht und was man machen muss, um Berlin zu sein.

Daten:
Tobias Rapp – Lost and Sound: Berlin, Techno und der Easyjetset
[Amazon-Link]
Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3518460443
Preis: 8,50€