Ich habe gerade die aktuelle NEON mal durchgeblättert und bin am Artikel über Machtverhältnisse in der Beziehung hängengeblieben (ergänzend dazu auf neon.de). Unter anderem gehört zu dem Themenkomplex auch ein Interview mit Wolfgang Krüger (wohl der hier), der mit statistischer Analyse a) Machtverhältnisse erkennt und b) davor warnt, gängige Rollenverteilung zu durchbrechen, jedenfalls am Anfang, um sozusagen überhaupt jemand abzubekommen. Keinerlei kritische Reflexion, wo überhaupt angesetzt werden muss: der Frage, woher dieses Rollenselbstverständnis kommt.

Denn anstatt sich der statistischen Macht zu beugen sollte man sich gerade darüber klarwerden, dass eine Statistik auch nur ein Ausschnitt ist und auch rein gar nichts dagegen machen kann, dass man sich anders verhält und damit auch erfolgreich sein könnte. Statt sich also gekünstelt wie der “wahre Mann” und die “zierliche Frau” zu geben, sollte man einfach man selbst sein – sonst kommt das böse Erwachen irgendwann, und schlägt umso härter ein. Also lieber die Statistik ändern, als sich von ihr bestimmen zu lassen.

Krüger kritisiert an blauäugigem Lieben: “Man stürzt sich in eine Beziehung und achtet nicht darauf, ob das Verhältnis von Engagement und Belohnung stimmt.” – So what? Warum muss Liebe & Beziehung denn die Kosten-Nutzen-Rechnung beinhalten? Kann man nicht einfach nur lieben?! Und wenn die Realität anders aussehen mag: warum kritisiert man dann nicht diese psychologischen Erkenntnisse, sondern verbleibt in einfachen So-Ist-Es-Findet-Euch-Damit-Ab? Wenn jetzt also ein Haufen unkritischer NEON-Leser das aufnehmen und sich denken: “Ach, dann muss ich mal lieber wieder mich betont männlich/weiblich geben”, dann sind wir einer offeneren, machtfreieren Gesellschaft kein Stück näher gekommen. Und anstatt Krügers Rat zu folgen, dass Dinge mit Reden manchmal nur schlimmer werden, würde ich sagen: Immer drüber reden. Immer. Alles ausdiskutieren, fair bleiben, ruhig bleiben, egal wie der Partner drauf reagiert. Damit kann man am ehesten eine Entscheidung, eine Klärung, eine Machtausübung erreichen, die von beiden Seiten ausgeht. Das mag anstrengend und schwierig sein, aber ich finde, es ist das Richtige.

Aber NEON lebt ja davon, dass ein Haufen blöder Mittelstands-Singles sie lesen. Und mit den Analysen, die dieses Magazin gibt, sorgt sie wohl auch, dass der Leserstamm sich nicht wandelt 😉