Neueröffnungen und Ladenwerbung laufen heutzutage auch viel auf Facebook ab. Da wird, gerade bei zielgruppenspezifischen Läden, die Kundenbasis angesprochen, “Fans” gesammelt und über die Fortschritte und Neuigkeiten im eigenen kleinen Paradies informiert. Und oft wird der Account auch für interessante Links und Artikel genutzt, auf die hingewiesen wird. Das macht die Sache menschlich, der Laden bekommt Profil und wird greifbar.

In manchen Fällen ist das aber ziemlicher Dreck, der da gepostet wird und die Betreiber outen, wer Vater ihrer Gedanken war. Im Falle von Veganz, einem neuen Laden für vegane Produkte in Berlin, wurde ein Link zu “Zeitgeist” gepostet. Das ist eine selbsternannte, inzwischen dreiteilige, Doku, die sich mit der Erklärung der Welt und dem Zusammenmixen von Verschwörungstheorien beschäftigt. Netz gegen Nazis schreibt dazu:

Das Zeitgeist-Movement ist auf einen Film namens „Zeitgeist“ zurückzuführen. Neben Religionskritik findet sich Kapitalismuskritik, es werden Verbindungen zwischen dem Finanzsektor und der Rüstungsindustrie nachgezeichnet (also der militärisch-industrielle Komplex) und 9/11 wird ebenso in diesem Zusammenhang betrachtet. In diesem Film werden alle wichtigen Verschwörungsthemen behandelt und zu einem großen Konglomerat zusammengeworfen, dabei gibt sich der Film selbst den Anstrich eines Dokumentarfilms. Dabei transportiert der Film antisemitisches Gedankengut, ohne jedoch explizit die Juden als Quelle des Übels zu nennen. Chiffre für die Juden ist hier das internationale Finanzwesen. Der Jude als Sinnbild für das raffende, also böse, Kapital ist ein antisemitisches Klischee, das schon seit dem Mittelalter existiert und im Nationalsozialismus bedient und ausgeschlachtet wurde. Diese Analogie muss der Zuschauer allerdings selber herleiten, aber der Begriff vom „internationalen Finanzjudentum“ ist vermutlich eines der am stärksten verbreiteten antisemitischen Klischees.

Natürlich habe ich die Betreiber sogleich darauf hingewiesen, was sie da eigentlich ins Netz pusten und wofür sie eine Plattform vor ihren über 1300 Fans bieten. Die Reaktion war, typisch, abwiegelnd und relativierend.

Mit diesem Link teilen wir ein aus unserer Sicht interessantes und aktuelles Thema, keine Weltanschauung oder politische Meinung. Genau wie bei der Entscheidung, sich vegan zu ernähren, sollte jeder für sich selbst entscheiden, wie er die hier aufgeworfenen Themen bewertet und für sein Handeln und Tun berücksichtigt.

So richtig kapieren tun sie es nicht, es geht hier nicht um eine persönliche Wertung, sondern darum, dass sie für antisemitischen Dreck eine Plattform bieten. Die Bewertung, die sie ausliefern, ist strukturell antisemitisch und sie ist politisch, da können sie noch sehr relativieren.

Damit hat sich der Plan, sich diesen Laden anzuschauen, erstmal erledigt. Bei solchen Aktionen, die im Namen des Ladens getätigt werden, würde mir aller Hunger und alles Interesse beim Betreten vergehen und wer weiß, wen ich dann mit dem dagelassenen Geld so alles unterstütze. Jeder Mensch mit politischem Bewusstsein sollte sich seine veganen Sachen woanders besorgen.

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Montag, Semesterferien. Kann man ja feiern gehen. Auf Facebook kam eine Veranstaltungseinladung, auf der Spreeterrasse von der Maria sei OpenAir. Ein bisschen kühl ist es ja schon noch, aber nun gut, die Sonne scheint und man hat ja im Bedarfsfall dicke Pullis bei. In der Veranstaltungseinladung (vom Partyveranstalteraccount “Goldenes Zeitalter” gepostet) war von freiem Eintritt die Rede.

EINTRITT FREI! bis 20 Uhr

DJ Euro

danach nen 5er

Geburtstagskinder haben natürlich wieder freien Eintritt!

 

Und nun kommt man da an, die Melange aus Hipstern, Yuppie-Studenten und Schulkindern kennt man ja schon. Kann man drüber abkotzen, aber man lässt es lieber, weil sonst bekommt man ja nie mehr gute Laune. Wir also auf den Eingang zu, steht da Einlasspersonal und eine dicke Schlange. Nehmen die also doch Geld. Hatte keiner von uns Bock drauf, draußen hörte man keine Musik mehr, also haben wir uns musiklos zwischen die Horden gesetzt und ein bisschen gechillt. Aber angefressen hat mich das schon. Da steht ganz klar “Eintritt” frei. WTF? Dann will ich da auch einfach reingehen können. Und jetzt sagte mir auch noch eine Bekannte, dass um 18 Uhr schon 5€ gekostet hat. Wer weiß, vielleicht auch schon um 16 Uhr, als wir angekommen sind, wir haben ja gar nicht nachgefragt. Aber auf jeden Fall nix mit freier Eintritt bis 20 Uhr. Echt zum kotzen.

Und was dahintersteht? Hier wird mit dem “kostenlos-und-billig-Party-machen-Image” von Berlin gespielt und das echt schamlos bis zur Lüge ausgenutzt. Das Image stimmt ja eh kaum noch, aber das so zu bewerben ist doch echt dreist. Aus allem und alles Geld rauszuschlagen, einfach mit den Massen zu rechnen und hoffen, dass die trotzdem Geld abdrücken, auch wenn die sich auf eine kostenlose Party gefreut haben. Wer kein Geld hat und sich genau deswegen dahin aufn Weg gemacht hat, wird rausselektiert. Wenn das euer Frühlingserwachen ist, dann scheiß ich drauf, haut ab, zurück in den Winter.

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Seit gestern habe ich offiziell Frühling und Sommer – in Zeiten des Klimawandels verwischen die Abgrenzungen ja eh – für begonnen erklärt. Ein wunderbarer Abend am Berliner Stadtrand mit Grill, Musik und … Brooklyn-Tonnen. Im deutschen etwas stilloser Feuertonnen genannt, sind sie der beste Freund der Outdoor-Partys.

Als kleines How-To: man nehme ein Barrel, also eine 60l-Tonne, die man nicht mehr verwenden will. Am besten eine, die schon ein paar rostige Stellen und Löcher vor allem am Boden hat. Dann stellt man die an den Platz, an dem sie den Abend verbringen soll, mit Umstellen ist ab einem bestimmten Zeitpunkt temperaturtechnisch einfach nix mehr zu machen. Dann muss unter die Ränder der Tonne was klemmen, zwei Ziegelsteine oder Holz oder sowas – das dient dazu, dass die Tonne von unten Luft ziehen kann und sich ein Feuer schneller entwickeln kann. Ansonsten sitzt man da 30min frustriert davor und bekommt nix an, ist uns gestern auch passiert.Dann auf jeden Fall nach unten Reisig, kleine Äste also und Sachen, die schnell abbrennen, dadrüber stapelt man die etwas dickeren Äste/Stöcke/Latten und so baut man sich ein kleines Zelt, das nach außen immer dickere Elemente hat. Dann einfach Pappe oder so nach unten schmeißen und den Reisig entzünden. Wenn alles mit Bedacht aufgebaut wurde und die Tonne Luft zieht, dann habt ihr innerhalb einiger Minuten ein prasselndes Feuer. Jetzt der Geheimtipp: oben drauf ein richtig dicken Brocken, vielleicht einen kleinen Baumstumpf, packen. Der wird nach und nach runterrutschen, bekommt aber viel Flammen ab und brennt dadurch super ab und hinterlässt ein Haufen glühender Kohle: die dadurch erstelle Wärmequelle reicht für Stunden! Und natürlich immer Sand und Wasser zum löschen bereitstellen.

An so einer Tonne kann man die ganze Nacht verbringen, quatschen und sich wohlfühlen. So wie gestern Abend, ich hab’s echt genossen und einen wunderbaren Abend gehabt. Nur einen riesigen Nachteil hat so eine Aktion: man stinkt ganz furchtbar am nächsten Morgen nach Rauch und hat eine kleine Schicht von Asche und Ruß auf dem Körper. Und wenn man dann in diesen Klamotten durch die halbe Stadt muss, dann ist das ein tierischer Walk Of Shame, aber ohne die üblichen Benefits. Damn.

[Foto von Scott Beale / Laughing Squid unter CC-Lizenz]

Das ist mal wieder so ein Tag, wo ich mir Sonne und Strand wünsche. Arabische Länder, Sonnenuntergang, 25-30°, das Meer vor mir und Shorts & T-Shirt an. Vielleicht sollte ich auch mal wie Sara um die Welt reisen, aber dazu habe ich im Grunde weder Zeit noch Geld. Vielleicht nach dem Studium. Oder nach dem zweiten Studium. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall kein bitterkaltes Berliner Grau, das nächste Woche in Dresden nicht viel besser aussieht. Winter ist toll. Aber nur für die ersten vier Wochen, wo sich der Hund am Schnee ergötzt und das komplette Feld umgräbt mit der Nase und man selbst mitten in der Nacht aus der Kneipe rennt und Schneeballschlachten im Friedrichshainer Nordkiez bestreitet. Und danach, danach wird’s trüb. Carlos, mein Hund, hat keine Lust mehr durch den Schnee zu wählen, weil er pappig ist und entweder vollgepisst oder von Silvesterkrams durchsetzt. Oder, wenn er schon weg ist, sind überall diese nervigen Steinchen, die ich in meinen umgeschlagenen Hosenbeinen in die Wohnung  trage und das Laminat damit komplett zerstöre. Jedes Mal wird der Weg zu meiner Kneipe länger und weiter, und Fahrradfahren ist da nur noch eine größere Qual, weil’s einem dann ums Gesicht bläst.

Ich weiß, das ist jammern auf hohem Niveau. Aber ich will chillen, will Sonne, will Strand. Dann kann der Sommer ruhig noch einen Moment warten.

[Bild via Freudefoto | Jens Freudenau]

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Da fasst man sich wieder an den Kopf – es hat den Anschein, als ob sich die Modegeschäfte im hippen Berlin-Mitte die Relevanz in der Militanz der autonomen Szene neiden. “Der hat was abbekommen und war in den Medien und mein Geschäft nicht – das ist doch unfair.” Sind das die Gedanken, die die Inhaber gerade umtreiben?

Nachdem es zur großen Entglasung des Flagship-Store-Gebiets in Mitte gekommen ist, legt man jetzt also selbst Hand an und feiert die gesplitterte Scheibe als It-Zustand des Jahres 2011.

Mal ernsthaft: was steht da für eine Arroganz hinter? Die meisten dieser Hipster-Ladenbetreiber wissen genau, welche Wirkung ihre Läden und ihre Lebensstile auf die Innenstadt haben – die meisten lesen taz oder tagesspiegel, das Wort Gentrification ist ihnen kein Fremdwort und ihr Bildungsstandard ist so hoch, dass sie die abstrakte Problematik begreifen können und auf sich selbst übertragen können. Sie wissen, dass sie für die Vertreibung von Menschen aus den Innenstadtbezirken zuständig sind, sie wissen, dass sie Leben damit schwerer machen oder zerstören. Vielleicht schaffen die meisten es, den Gedanken daran zu verdrängen (haha, Kalauer), weil solche Prozesse still und heimlich im Privaten ablaufen und die Außenwelt erst nach Jahren die strukturellen Veränderungen mitbekommt. Aber so eine “Kunstaktion” zeigt doch, dass man sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat – und rotzfrech auch noch mit dem nackten Arsch wedelt.

[via Gentrification Blog]

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Mir geht ja gerade tierisch auf die Nerven, dass alle möglichen Blogs dieses Exquiste Werbevideo posten und sich darüber freuen, dass das alles ja sooo verboten und rebellisch ist.

Auf electru hab ich diesen Kommentar gepostet:

Exquiste-Partys sind sehr vorsichtig zu genießen. Das Konzept war am Anfang sehr cool und hat Spaß gemacht, die Berliner Szene auch etwas weiter gebracht. Dann ging es aber bergab, die Leute waren die ersten, die in Berlin auf illegalen Veranstaltungen Eintritt genommen haben (meistens 3€) – nicht nur auf den RTS-Partys, sondern auch auf ihren sonstigen Veranstaltungen (und nicht alle liefen unter dem Exquisite-Label). Sie waren quasi die ersten, die zu einer Entwicklung der Szene hin zu so unsäglichlichen Veranstaltungen wie dem Friedrichshain Liebt Dich und der Eisfabrik geführt haben.

Ich finde die Geisteshaltung, für Raves im öffentlichen Raum Eintritt zu nehmen, ablehnenswert und damit auch den Veranstalter.

Das ist mal wieder so ein Fall, wo sich manche Sachen total unreflektiert weiterverbreiten. Einen ähnlichen Fall gibt’s jetzt meines Wissens nach bei den Renate Open Airs: 5€ Eintritt und Selektion. Wo man bei der Selektion noch sagen kann: “Dat rettet die Szene” (wobei ich solche Ansätze sehr bezweifle, höchstens Altersgrenzen angebracht finde) ist Eintritt einfach mal: soziale Selektion. Und die ist per se scheiße. Ich weiß nicht, ob sie die Renate-Leute damit ein dauerhaftes Gelände finanzieren oder einfach nur nicht so viele Leute drin haben wollen. Aber widerspricht trotzdem meinem Empfinden.

Naja, für alle Blogger zum mitschreiben aber nochmal der erste Teil zusammengefasst: Exquiste-Team: nicht gut.

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(Foto von sEbo)

Wer gestern auf der Hauptstraße, einer großen langen Straße zwischen Ostkreuz und Köpenick unterwegs war, traute seinen Augen kaum. Wo sonst nur müde Kraftwerksmitarbeiter ihrer Wege gehen und die Straße ansonsten komplett leer ist, liefen unzählige Menschen. Aber als Berliner zwischen 15 und 30 mit Facebook-Zugang hat man eh mitbekommen worum es geht: 9000 Einladungen waren draußen für das “F-Hain <3 dich”-OpenAir. Wo man sich schon in Szene-Kanälen auf ein interessantes LineUp gefreut hat, hat sich die große Masse erst recht für Umsonst & Draußen begeistern können.

Ich bin so gegen 1 Uhr hingefahren und fand die Veranstaltung symptomatisch für diese ganze Facebook-Problematik. Von Atzenpartyprolls bis szeneliebenden Minderjährigen war alles dabei, und zwar in einer Menge, die definitiv nicht mehr gesund war. Auf dem Gelände waren so um die 1000-2000 Leute, und die gleiche Menge nochmal drumherum bzw. auf dem Weg dahin. War sicher am frühen Abend anders, und bestimmt auch den Sonntag über. Aber als wir angekommen sind war es zuviel. Die Grundstimmung war recht aggressiv, Gerüchte über Neonazigruppen gingen rum und auch eine gewisse Verantwortungslosigkeit blieb bei der Masse an Leuten nicht aus. Kippen ab in den Rasen, ob die Location abfackelt ist ja bekannterweise egal. Ich habe mich auch nicht wirklich sicher gefühlt, bei der Menge an Leuten hätte der Veranstalter Kontakt zum Rettungsdienst aufnehmen müssen, die dann in der Nähe hätten stehen müssen. Im allgemeinen bin ich überrascht, dass die Polizei die ganze Sache nicht zu dem Zeitpunkt aufgelöst hat, vor Ort war sie ja – ich glaube kaum, dass die normalen Veranstaltungsauflagen eingehalten wurden. Grundsätzlich positiv zu bewerten, dass sich der Staat nicht einmischt (auch wenn viele Zivilcops auf dem Gelände waren), aber hier doch sehr seltsam. Hmm, wer weiß, vielleicht hatten die Veranstalter auch Security auf dem Gelände, die aber einfach nicht zu sehen waren?

Was mir auch aufgestoßen ist: eine Taxischlange vor dem Gelände, wie man sie sonst vor dem Weekend oder Berghain sieht. Ey, auf nem Rave? … Sorry, aber dit sind nicht meine Leute. Genauso diesen Shuttle-Bus-Service, den ich irgendwo gesehen habe. Absolut freakig. Letzteres wurde bestimmt schön durch die 4€-ClubMate finanziert. Auch das: absolut freakig.

Wofür man eine Lanze brechen muss ist das angenehme LineUp und der fette Sound. Das wars aber auch. Ansonsten gabs halt so typische OpenAir-Probleme: überall Müll und Flaschen (bei der Größe dann auch ein dickes Problem!), wenig Licht (Deko war Nähe Tanzfläche ganz nett, aber man hätte gerade aufm Weg mehr machen können).

Kommen wir mal zu einer Analyse/Kritik:

  • Fakt ist, die Rummelsburger Gegend bietet viele geile Locations, die in letzter Zeit immer mehr genutzt werden, von diversen Veranstaltern und nicht nur für Raves. Aber die Gegend wird sich wieder schnell verbrennen, man liest ja schon von Vergleichen zwischen dem “Revaler Technostrich” und dem “Rummelsburger Technostrich”.
  • Die Veranstaltungspopularität wurde entweder schlecht im Auge behalten oder die Veranstalter haben drauf geschissen. Es waren einfach zuviele Leute.
  • Ja, Raves sind Mainstream. Nicht erst seit gestern, vielleicht nicht mal seit Kalkbrenner. Aber das OpenAir hatte eine symptomatische Qualität. Ich kann mich nur wiederholen und die Forderungen aus dem Eisfabrikartikel wiederholen: abschotten. Facebook rauslassen. Sich mit weniger Leuten freuen. Prolls, Yuppies … sorry, aber das hat nichts mit dem Anspruch von Raves zu tun. Und ja, es gibt einen, auch wenn er für viele wahrscheinlich nur verwaschen wahrnehmbar ist.
  • Und wenns dann doch ausm Ruder läuft: reagieren. Arztstation aufbauen, Kontakt zum Rettungsdienst aufnehmen. Will nicht wissen, was passiert wäre, wenn der Rave in der Hitze der letzten Woche veranstaltet worden wäre. Und wieviel Kids mit einer unbehandelten Alkoholvergiftung gerade zuhause liegen.
  • Genauso: Security – wenn ich ein solches Publikum habe, muss ich Freunde bitten, als Ansprechpartner für alkohlbedingte Übergriffe zu fungieren, Leute, die auch mal dazwischen gehen können. Und auch welche für sexistische Übergriffe, das wirds wohl en Masse gegeben haben. Man muss nicht, wie das andere OpenAir um die Ecke sich komplett abschotten und Taschenkontrollen haben, aber einfach mal bei so einer Masse 50 Leute aufm Gelände haben, die auch klar erkennbar als Ansprechpartner zu Verfügung stehen. Sonst liefert man den Cops nur Munition, und auch der Justiz, wenn was passiert. So könnte man wenigstens sagen: man hat sich bemüht.
  • Interessant sind die Reaktionen im Netz. Die Facebook-Veranstaltung wird größtenteils wohlwollend kommentiert mit nur vereinzelt kritischen Stimmen. Sehr viele finden es einfach nur “geil” und “super”. In den geschlossenen Kanälen ist schon recht früh, so ab 23 Uhr, Kritik zu finden, die sich nur ausweitet und ganz allgemeine Ablehnung erkennen lässt.

Insgesamt hatte ich wohl mit dem Eisfabrik-Artikel recht. Facebook ist ein No-Go. Viel zu öffentlich, viel zu unkontrollierbar – aber so sieht dieser Sommer aus. Aber das war nicht nur Facebook, wenn man mal die Veranstaltung googelt kommt da noch viel mehr ans Tageslicht. War wohl bei vielen Portalen eingetragen, als Veranstalter gibt sich Trendwende Berlin und Simplyme Original.

Impressionen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=j1EX7WqmlqA]
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=bds-LWDJIfM]

Ich werde auch mal die Medienentwicklung beachten, Polizeimeldungen sind noch nicht raus und in den Tageszeitungen habe ich auch noch nichts gefunden, aber bestimmt kommt da mit der Montagsausgabe einiges rum. Dazu noch ein seperater Post.

Es war noch nicht DER große Knall, mal wieder scheint’s gerade wieder so die Kurve bekommen zu haben. Aber trotzdem eine erneute Mahnung: es muss was passieren. Lasst uns Gegenstrategien entwickeln. Wieder abschotten, alles kleiner halten. Los. Jetzt. Hier!

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Irgendwie cool. An den Liebighäusern in Friedrichshain will jemand eine verkehrsberuhigte Zone schaffen und pinselt immer wieder und wieder einen Zebrastreifen hin. So wird die Straßenverkehrsregelung wieder in die Hände der Allgemeinheit übergeben 😉

(via Blogrebellen)

 

Hehe, nochmal zum Berghain. Die müssen sich echt Sorgen machen, wenn selbst die Titanic sie verarscht. Ich fand ja den Douglasladen, der erst letztens Jahr da eröffnet hat, besonders cool.

Also auf ins Wochenende: “Gehen Sie mir aus dem Weg, Sie halbe Portion!”

 

Bei Glamorama wurde erstmal dieser lustige BZ-Artikel zum Berghain auseinandergenommen. Ist schon fast Bildblog-würdig, mit welcher Präzision da vorgegangen wird!

Ich glaub das Berghain braucht wirklich Image-Cops. Berghain’s Finest halt. 😀 – mich schreckt das trotzdem alles ab, ich werd den Club auch in Zukunft nicht betreten, egal wie viel mir entgeht. Abgefuckter als in diversen links-alternativen Hausprojekt-Bars kann’s da aufm Klo auch nicht aussehen 😉

 

Donnerstag Abend, für die Schüler sind noch Ferien, Studenten haben eh erst um 11 Vorlesung (wenn überhaupt) und man geht raus und feiert. Berlin reizt ja immer wieder mit Raves, die eine temporäre Besetzung von alten Gebäuden und öffentlichem Raum beinhaltet. Früher war das halt einfach so, ein cooles Team hat seine Technik zu irgendeinem Ort gekarrt, eine alte Fabrik, eine Wiese, irgendwo halt, und hat dann für eine Gruppe von gutgelaunten Menschen die Party geschmissen.

Man hatte Feuerlöscher dabei, man hat kein Eintritt gefordert und man hatte die Gäste auch einigermaßen unter Kontrolle. Jeder konnte mitbringen was er wollte, Security-Kräfte für eine illegale Party gab’s nicht, jedenfalls nicht im “Türsteher”-Sinne.

Das hat sich im letzten Jahr geändert. Schon 2009 gab es erste Open-Air-Raves, bei denen ich auf Getränke kontrolliert wurde. Es gab Partys in alten Kellern von baufälligen Gebäuden, bei denen Eintritt genommen wurde (als ob Getränkeumsätze nicht für die Refinanzierung reichen würden). Und gestern haben dieses Prinzip ein paar Jugendliche zur Spitze getrieben mit ihrer “Tanzeuphorie an der Spree” in der alten Eisfabrik in Berlin-Mitte. Auf einem “illegalen Rave” gab es Türsteher, Getränkeverbot und Eintrittspreis (3€). Die Technik hatte zum Start-Zeitpunkt nicht funktioniert. Und zu guter Letzt ist dem Gebäude, in dem die Party stattfand, der Dachstuhl weggebrannt. In einem Großfeuer, das leicht hätte Verletzte fordern können. Es gab keine Verletzten. Zum Glück.

Berichtet haben dann heute viele große Medien, u.a. Sat1, RTL (Punkt 12) und die B.Z. und  Morgenpost, weitere Printerzeugnisse werden sicherlich folgen.

Erstmal sei analysiert, was diese Party in ihrem Ausgang so symptomatisch für die Probleme, die die Berliner Raveszene treffen können, macht:

  • Die Veranstalter waren sehr jung. Die Polizeimeldung spricht von 19 – 22-jährigen. Das ist ungefähr mein Alter, trotzdem nehme ich mir raus zu sagen: Das ist zu jung, um so ein Event ordentlich zu schmeißen, es fehlt an Erfahrung, fachkundige Unterstützung aus dem Freundeskreis und vielleicht auch etwas an Verstand. Der Altersschnitt der Veranstalter von Raves liegt meistens deutlich höher, sicher im Bereich 25-30, viele davon auch in diesen Bereich ausgebildet.
  • Die Herkunft der Veranstalter bohrt in offenen Wunden: ich habe viele Leute gehört, die meinten, die würden aus Zehlendorf und Prenzlauer Berg kommen. Tendenziell ein Herkunftsort von Oberschicht-Kids, die sich naturgemäß desöfteren weniger Sorgen um die Konsequenzen ihrer Taten machen. Das ist aber nur, und darum kursiv, eine Vermutung.
  • Die Party wurde über Facebook beworben – eine unglaublich unsichere Angelegenheit. Statt über geschlossene Systeme, wie es bisher üblich war, einen gewissen Kreis von vertrauenswürdigen Leuten zu informieren, die dann ihrerseits ihren Freundeskreis informierten, war diesmal alles öffentlich einsehbar. Das nimmt einem als Veranstalter außerdem die Möglichkeit, die Zielgruppe zu beeinflussen, was bei zunehmender Größe wichtig ist – man will ja nicht ein Haufen volltrunkener sexistisch pöbelnder Prolls auf seinen Partys haben. Und jetzt, nachdem was schiefgegangen ist, gefährden die Veranstalter alle Personen mit dieser Vorgehensweise: es könnte zu Kontaktaufnahmen durch die Behörden kommen, die vielen Kids dort nicht gefallen dürfte. Sicherheitsrisiko hoch X also.
  • Die Besucher gestern waren zum überwiegenden Teil die Berliner Schulbesucher, die vor ihrem letzten Ferienwochenende standen. Seit Kalkbrenner und dem Bekanntheitsboost der Bar 25 und des Berghains (Stichwort: Helene Hegemann) ist Raven total in. Das hat man 2009 ganz deutlich bemerkt und 2010 ist der Untergrund nun kompletter Mainstream. So traurig das ist, ich denke, man kann es als Fakt bezeichnen. Und mit diesem Mainstream kommen auch die Probleme, die man mit dem Mainstream immer hat: jugendliche Draufgänger, krasse Sprüher, sexistische Prolls, zugesoffene Idioten. Und zwar in einer Stückzahl, die dann zu solchen dummen Aktionen wie einem angezündeten Dachstuhl führt. [Jaja, wer weiß, vielleicht hat auch einfach einer seine Kippe weggeworfen – die Brandexperten werden sicher bald ein Ergebnis haben]. Szenegänger waren sensibel: sie wussten um die Illegalität der Veranstaltungen und um die Begrenztheit der Orte, an denen man ungestört feiern konnte. Jetzt im Mainstream ist das belanglos – die Sachen werden zu Tode “geravet”. Schon im letzten Jahr hatte man Probleme wie Wiesen, die sich nicht von den unzähligen Open-Airs erholen konnten (Görli) und Müllprobleme, die schlussendlich sogar alternative Lebensprojekte angekotzt haben (Schwarzer Kanal). Dieses Jahr startet der Sommer damit, dass tatsächlich ein beliebter, vielgenutzter Ort im wahrsten Sinne des Wortes verbrannt wird. Das ist auch Folge von Mainstream und jüngeren Partybesuchern, die einfach nicht das erforderliche Maß an Verantwortung zeigen, sei es aus Unreifheit oder aus Desinteresse.

Als Symptome sollte man diese Frage wirklich ernst nehmen. Und eventuell einige Forderungen aufstellen, um der Entwicklung wieder etwas entgegenzuwirken.

  • Wichtigstes Element: Diskussionen in die Öffentlichkeit holen – nicht nur auf den typischen Szeneportalen diskutieren, sondern, wie ich es es mache, in Blogs oder Foren, die zugänglich sind. Das gibt auch Nicht-Szene-Beteiligten den Raum zum Input, evt. Leute, die mit solchen Sachen schon zu tun hatten, politischen Aktivisten etc. – außerdem schafft es auch für die Problematiken dringend nötige Öffentlichkeit, Presse und Meinungsführer bekommen einen weiteren Informationskanal, der vielleicht differenziertere Berichte etc. befördert. Denn ganz ehrlich: ich habe Angst vor dem jetzt kommenden Sturm und den behördlichen Maßnahmen nach diesem Brand, der ja auch durchaus Todesopfer hätte fordern können.
  • Dann ganz konkret: Einen Gang runterfahren – liebe Alt-Aktivisten: verbrennt euer Equipment, eure Kohle und eure Lust an Partys nicht an überfüllten, überprollten Raves. Die Polizei wird strenger kontrollieren, die Strafen und Konsequenzen für Gesetzesübertretungen härter ausfallen. Das ist es nicht wert, wartet, bis die Situation sich, auch Gesamt, beruhigt hat.
  • Schließt diese verdammten Facebookgruppen (z.B. diese hier!) – ihr gefährdet nur euch und andere. Argh!!!
  • Räumt die Portale auf. Ihr wisst, was ich meine. Zuviele User, die Partys leaken, zuviele Kids, die sich nur ihre Ravedates abholen und sonst nichts zur Community beitragen. Einfach mal etwas entschlacken, dann kommt man auch über den Winter. 😉
  • Mal wieder nur Mund-zu-Mund-Propaganda versuchen. Ohne Internet und so. Darauf achten, wo was steht. Benachrichtigungen auf euren Partynamen bei Google Alerts setzen. Augen und Ohren auf und im Notfall spontan verlagern. Es müssen nicht immer 600 Leute sein.
  • Systematisch Leute von Support und Kommunikation ausschließen, die illegale Raves kommerzialisieren. Das sind keine Brüder und Schwestern mehr, auch nicht im Geiste.
  • Je nach Interesse mit politischen Akteuren vernetzen (Hedonisten, Antifa, Autonome etc.) – aktiv den Dialog suchen und Strategien überlegen.
  • Und am allerwichtigsten: einfach mal wieder mit ner kleinen Anlage/Blaster oder Miniboxen an die Spree chillen und das Tanzbein ausruhen lassen. Und in Ruhe über alles mit Freunden nachdenken 😉

Ich hoffe, das gibt einigen Stoff zur Diskussion und zum Nachdenken und ich bin gespannt, wie sich der Sommer entwickelt. Ich habe kein gutes Gefühl, hab heute schon irgendwo die Prophezeiung gelesen: irgendein dicker Knall stehe uns noch bevor und dann war’s das erst Mal. Jetzt heißt es: verantwortungsvolle Aktivisten müssen sich zusammenschließen und Gegenstrategien durchziehen, Freiräume sichern und alles lebendig halten. Das wäre jedenfalls mein Wunsch für 2010.

UPDATE: Also die Facebookgruppe scheint inzwischen zu zu sein, der Link leitet nur noch auf die Facebook Startseite weiter. Es scheint noch eine andere, sehr viel kleiner Gruppe zu geben, die den selben Namen trägt. Außerdem sei noch auf den Artikel zum Geschehen beim Tagesspiegel (inkl. Zitate von eigt. „konspirativen“ Communitys) hingewiesen.

 

Stell dir mal vor, du würdest nicht in Berlin wohnen.

Bah, ist das gruselig. Also vielleicht gibt’s Städte, bei denen es noch geht. Hamburg vielleicht, oder New York City. Aber grundsätzlich: sich vorzustellen in irgendwelchen halb-alternativen Diskos im Ruhrpott abzuhängen oder das Longboard ausschließlich aus’m Onlinestore beziehen zu können lässt mich schon zur beruhigenden Tasse mit meinem grünen Tee greifen. Ich kann mir das alles gar nicht so richtig vorstellen, wie das Leben da draußen ist. Ohne besetzte Häuser, ohne die ganzen Läden, mit Leuten, die einen auf der Straße komisch anschauen, ohne nervende Spanier und Erasmusstudenten in den Clubs. Ohne den romantischen Schein brennender Autos vor der Haustür, ohne halb-verfallende Ostgebäude.

Sicher, man findet alles auch an anderen Stellen. Vielleicht sogar coolere Sachen. Aber nicht in dieser Konzentration, oder? Nicht in diesem allumfassenden Stadtgefühl, nicht mit dieser Geschichte. Ich will nicht wissen, was für ein Mensch ich ohne diese Stadt wäre.