Der Artikel „Wendepunkt der Geschichte“ strotzt ja nur so vor politischem Pessimismus, ich dachte, ich setze dem mal die ganzen Dinge entgegen, die ich im vergangen Jahr als so großartig empfunden habe, als das sie mir im Gedächtnis bleiben werden.

Bester Film: „Chef“

Ich bin einfach nur begeistert von diesem Film, der die Leichtigkeit des Lebens feiert, der Essen auf Händen zum Mond trägt, der den Ausbruch, das Zueinanderfinden, das Reisen zeigt. Ich warte nur darauf, mal wieder in die USA zu reisen und ein kubanisches Sandwich auszuprobieren. Geheimtipp: der Soundtrack! Und seit ich diesen Film gesehen habe, schwebt mir eine großartige Gartenparty mit BBQ und Sandwiches und großartigem Big Band Dancefloor vor, mit vielen tollen Lichtern und mit lächelnden Menschen.

Best Food: Lottes Ziegenfrischkäse-Avocado-Aufstrich

Ich koche ja sehr viel selber und probiere alle möglichen leckeren Dinge aus. Und ich habe lange gerätselt, was mich kulinarisch im vergangenen Jahr am glücklichsten gemacht hat. In der engeren Auswahl hat sich z.B. der Sheperd’s Pie  von Jamie Olivers neuer Show „Comfort Food“ befunden (allgemein sind die Rezepte der Serie großartig), oder auch meine Experimente mit den herzhaften Kuchen der mittelalterlichen Küche oder auch das famose Coffee Chili. Aber wirklich glücklich hat mich das simple Rezept einer Freundin gemacht: @lotterleben hat am Frühstückstisch eine Avocado mit Ziegenfrischkäse zerdrückt und mit Salz, Pfeffer und Chili abgeschmeckt. Ich persönlich lasse das Chili weg und mach stattdessen allerhand frische Kräuter aus dem Garten rein, aber das ist das schöne an simplen Dingen, man kann sie nach Lust und Laune variieren. Und das hat sich in meinen kulinarischen Kompass als leckere Frühstückskomponente eingebrannt.

Bester Song: Feed Me & Crystal Fighters – Love Is All I Got

Aus 12 Monaten sich den einflussreichsten Song rauszupicken ist unter Garantie nicht leicht. Jeden Tag wird man in den sozialen Netzwerken mit Musiklinks und Geträller bombardiert, gleichzeitig ist das gute alte „Ich-höre-mal-das-Album-durch“ aus meinem Alltag weitestgehend verschwunden und mit Spotifys Playlistfunktion wurde das entsprechend abgelöst.

Der Song selbst ist schon etwas älter, ich glaube aus dem Jahre 2013, aber brauchte etwas, um bei mir anzukommen. Er hat sich eine harte Schlacht mit Feine Sahne Fischfilets „Weit hinaus„, Twin Shadows „Old Love / New Love“ und Skeleton Lipsticks „Real Time Lover“ geliefert. Aber er hat sich abgesetzt, er hat sich eingebrannt, bei 200 km/h auf der Autobahn mit voller Lautstärke im alten Kombi hat er sich einfach gegen den Fahrtwind festgekrallt. An der Ostsee saß er neben mir auf der Mauer und schaute mit mir aufs Meer. Und lag neben mir im Bett, als ich stundenlang vor dem Handy saß und tippte und lachte und glücklich war.

Bestes Buch: Marcel Reich-Ranicki – Mein Leben

Auf dem Stapel meiner Geburtstagsgeschenke blitze das gebrauchte Hardcover-Exemplar auf, dass mir der Dirk schenkte. Und manchmal sind es die unscheinbarsten Geschenke, die den größten Einfluss haben. Ohne das Buch weiter rezensieren zu wollen, es hat sehr viel in mir berührt. Die Lebensgeschichte von MRR nimmt einen mit, nahm mich speziell mit in den Spalt, der sich zwischen der deutschen Kultur und der deutschen Geschichte bildete, zeigte mir die Liebe zur Literatur, auch zur deutschsprachigen Literatur, die sehr wohl auch ohne Liebe zum Deutschen an sich bestehen kann. Es ist schwer zu erklären, aber es hat mir gerade literarisch sehr viel Ansporn gegeben, mich erneut mit Klassikern und zeitgenössischer Literatur auseinanderzusetzen.

Bestes Spiel: This War Of Mine

Es gibt Spiele, die sind opulente Werke, die einen mitnehmen, mitfiebern lassen und zum Kanon einer ganzen jungen Gesellschaft gehören. GTA V gehörte dieses Jahr genauso für mich dazu wie Skyrim, das ich endlich mal intensiv gespielt habe. Und doch gehört der Spitzenplatz mit Abstand einem anderen Spiel: This War Of Mine entdeckte ich nach einem Zeit-Artikel und es hat mich tief ins Herz getroffen. Ich hasse dieses Spiel und zwar so, wie man nur schonungslose, ehrliche, aufklärende Kunst hassen kann. Die Spielmechaniken bilden in ihrer simplen Ausgestaltung die Erbarmungslosigkeit der menschlichen Vereinzelung in den Kriegsgebieten ab. Die Aufgabe ist es, eine Gruppe von Zivilisten mitten im Kriegsgebiet am Leben zu erhalten. Keine sichernde Infrastruktur, familiäre Verhältnisse und Freundschaften auseinandergerissen, Leiden, Tod und Verzweifelung um einen herum.  In diesem Spiel geht es nicht um das Gewinnen, es geht ums Überleben. Und das diese beiden Dinge – Gewinnen und Überleben – komplett aneinander vorbeigehen, merkt man spätestens, wenn einem das erste Mal nach nur wenigen Minuten die Charaktere verstorben sind und man entsetzt von der Grausamkeit ungläubig auf den Bildschirm schaut. Dieses Spiel kennt keine Gnade. Nicht gegenüber den Spielfiguren und vor allem nicht gegenüber dem Spieler. Wie gerne würde ich das zum Pflichtprogramm für diejenigen machen, die in Dresden, Marzahn und überall anders das Recht auf Asyl in Frage stellen.

Bestes Kulturevent: Aufführung von Peer Gynt am 9. Juni 2014 im Jagdschloss Grunewald

Eigentlich würde ich gerne noch viel öfter mich im Bereich der Berliner Kulturszene aufhalten, würde gerne noch öfter in Berliner Ensemble, zu den Philharmonikern und in die Museen gehen. Es fehlt nur irgendwie Zeit. Umso herausragender sind die Erfahrungen, die man dann macht, wenn man etwas Großartiges ganz zufällig entdeckt. Im Jagdschloss Grunewald führte die Freie Musikschule Berlin das Stück Peer Gynt auf, wohl das bekannteste Werk von Edward Grieg, das zum Text von Hendrik Ibsen geschrieben wurde. Ganz besonders, neben den famosen Musikern, ist mir die Rezitation von Guido Beirens im Gedächtnis geblieben, der den Peer Gynt auf eindrucksvolle Weise nur mit seiner Stimme zum Leben erwecken konnte. Und dazu kam der sommerliche Sonnenuntergang, der das Seeschloss zu einer unvergesslichen Kulisse werden ließ. In diesem Moment war die Welt wieder in Ordnung und alle Last weit weg.

 

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *