Wie schnell sich hier angenehme Ruhe in frustrierenden Klimahorror verwandeln kann. Ein Sturm hat in der DC-Area vor knapp 8 Tagen fast die komplette Stromversorgung lahmgelegt. Millionen Haushalte ohne Strom, vor allem darauf zurückzuführen, dass die Infrastruktur hier marode und technisch rückständig ist. Statt Stromleitungen im Untergrund zu führen und so vor herabstürzenden Ästen und starken Winden zu schützen, zieht sich hier durch die Ortschaften ein Netz von Strommasten, die in ihrer Verästelung die Wohngebiete versorgen. Passiert etwas mit den überirdischen Kabeln, verliert das Gebiet den Strom – denn ein Kabel auf Bodenhöhe bedeutet Lebensgefahr, wenn dort Strom durchfließt. In der Konsequenz: Strom aus, hinfahren, reparieren – und erst dann kann für das Gebiet wieder der Strom angeschaltet werden. Qualitative Unterschiede lassen sich dabei höchstens in der Kontrollfähigkeit des Stromflusses feststellen, d.h.  ab welchem Verästelungsgrad abgeschaltet werden muss.

Die Stromversorger haben sich das fein ausgerechnet. Die Modernisierung würde den Profit schmälern, selbst wenn man die Kosten auf die Verbraucher abwälzen würde, die regelmäßigen größeren Ausfälle werden in Kauf genommen. Eine richtige Wahl zwischen verschiedenen Versorgern hat man eh nicht. Aus der Politik kommt Gezeter, aber die Investition von öffentlichen Mitteln in die Infrastruktur scheint anders zu funktionieren als bei uns; letztendlich ist davon wenig die Rede und die Unternehmen scheinen größtenteils unter privatwirtschaftlichen Prämissen zu arbeiten. Trotzdem würden viele Kunden die Erhöhung der Strompreise für eine Modernisierung gerne in Kauf nehmen.

Ein Sturm hat in diesem fehleranfälligen System maximalen Schaden angerichtet. Ich wohne in dem am schwersten betroffenen Gebiet, Montogomery County. Ca. 1/2 Mio Menschen ohne Strom, viele davon über Tage. Bei mir floß es erst am Donnerstag wieder, also nach 6 Tagen, und zu dem Zeitpunkt waren immer noch 60.000 Menschen in dieser Gegend ohne Strom. Inzwischen sollten alle versorgt sein, die Arbeitstruppen, die aus den nördlichen Staaten und sogar Kanada (!) herbeordert wurden, sind schon wieder auf dem Rückweg. Der Stromausfall hat die Stadt und das Umland an den Rand des Notstands getrieben: Schulen waren geschlossen, viele öffentliche Angestellte durften zuhause bleiben, und die US-Bundesregierung hätte fast ihren Laden komplett geschlossen, was einem shutdown von DC gleichgekommen wäre. Die Sturmschäden haben nicht nur auf die Strominfrastruktur Einfluss genommen, sondern natürlich auch die Straßen mit entwurzelten Bäumen blockiert, Gebäudeteile zerstört und Menschenleben gefordert. Irgendwie hat man diesen Fast-Notstand aber dann beibehalten, wobei viele Menschen auch glücklich waren auf Arbeit zu sein: dort konnten sie ihre elektrischen Geräte laden, ins Internet kommen und ganz wichtig: runterkühlen.

Denn das ist der zweite Part der Klimahölle: während die immens wichtigen Klimaanlagen der amerikanischen Häuser nicht funktionierten, steuerte die Stadt von einem Hitzerekord in den nächsten. Die Temperaturen der letzten Woche lagen regelmäßig über 36°, einige Tage über 40°. Höhepunkt war heute ein knapp verfehlter Rekord. Der heißeste Tag der Aufzeichnung wurde um knapp 1 1/2 Minuten verfehlt. Es wurden 42° gemessen, aber nur 90 Sekunden lang, das reichte nicht, um den Rekord zu setzen – um offiziell anerkannt zu werden, muss die Temperatur über 180 Sekunden konstant auf diesem Niveau liegen. Ohne funktionierende Klimaanlage, ohne Kühlschrank und ohne Ventilatoren war diese Hitze natürlich das schlimmste Timing für die vom Stromausfall betroffenen Menschen.

Aber irgendwie habe ich es überlebt; ab Montag soll es erstmal deutlich kühler werden und unter 30° absacken. Und Strom und Internet sind auch wieder da. Der Kühlschrank brummt, kühles Wasser und Coke Zero bringen Linderung.

Abschließen möchte ich mit einem Verweis auf einen Kommentar von Petula Dvorak in der Washington Post: A ruling class deprived of its power. Ein Artikel, der sich mit den sozialen Faktoren des Sturms auseinandersetzt: die Betroffenen waren nämlich größtenteils gutsituierte Mittelschichtsvertreter, die Gebiete vor allem vornehme suburbs.

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *